Mittleres Mikroskop von Fr. Belthle in Wetzlar


Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576
Mittleres Belthle Mikroskop; Stativ 2 von 1864. Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing, schwarz lackiertem Eisen und gebläutem Stahl. Der grobe Fokus des Instrumentes wird durch einen Trieb erzielt, welcher auf eine Zahnstange wirkt, die direkt in die Prismenführung des Feintriebs eingelassen ist. Die Feineinstellung erfolgt über eine Rändelrad, welches im Innern der Prismenstange gegen eine Feder arbeitet. Die ergonomische Bedienung des Rändelrads erfolgt sehr bequem mit der Hand neben dem Mikroskop auf der dem Tisch liegend.
Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576 : SignaturMittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576 : Signatur Die Beleuchtung erfolgt über einen dreifach gelagerten Plan- und Konkavspiegel. Die Beleuchtungsapertur wird über ein in die Unterseite der Tischplatte eingelassene Revolverlochblendenscheibe mit 5 runden und einer schlitzförmigen Öffnung eingestellt.

Auf dem Tubusträger befindet sich die eingeschlagene Signatur:

C. Kellner's
Nachfolger
 
Fr. Belthle  
in Wetzlar.
No 576.

Wie alle Stative von Carl Kellner verfügt dieses Mikroskop über eine Kompensationsschraube zur Nachstellung der Ganggenauigkeit der Feineinstellung. Bei deutschen Mikroskopen ist diese sehr zweckmäßige mechanische Besonderheit in den späten 1850ern bis zum Ende der 1860er vor allem bei den Mikroskopen aus dem Umfeld von Carl Kellner und Moritz Hensoldt zu finden.

Ausgestattet ist das Instrument mit dem vollständigen Satz der zur Produktionszeit angebotenen Objektive des Unternehmens: Fr. Belthle 0, Fr. Belthle 1, Fr. Belthle 2, Fr. Belthle 3, und Fr. Belthle 4 sowie den Okularen I und III.

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 0

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 1 Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 2 Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 3 Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 4
Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 0 Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 1 Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 2 Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 3 Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Objektiv Nr. 4
Das Mikroskop wird liegend im Holzkasten untergebracht.

Fr. Belthle in Wetzlar: Mittleres Mikroskop Nr. 576: Auszug aus dem Auslieferungsbuch Das große sowie die mittlere Ausführung des Mikroskopstativs mit Drehung um die optische Achse wird 1867 von Dippel sehr lobend beschrieben (Leopold Dippel: Das Mikroskop und seine Anwendung. Erster Theil. Friedrich Viweg und Sohn, Braunschweig 1867: 148-150) - es ist bis auf die erwähnte Drehung baugleich mit dem hier gezeigten Gerät:

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576 Das grosse Stativ (Fig. 107) ruht auf dem schweren gusseisernen, vierseitigen Fusse a, in welchem sich auch die Vorrichtung zur Bewegung des Objecttisches um die optische Achse befindet. Es dreht sich nämlich der Ring b um die feste centrische Scheibe c. Dieser Ring trägt zugleich die mit ihm fest verbundene geschweifte Säule d, auf welcher der Mikroskopkörper ruht. Der Objecttiach ist hinreichend gross, 90mm lang und fast ebenso breit, vollkommen fest, und solid. Die senkrechte Bewegung trifft nur den Mikroskopkörper. Die Säule g, in der sich die Mikrometerschraube zur feinen Einstellung befindet, deren Stellscheibe unterhalb des Tisches bei f hervortritt, trägt nämlich die senkrecht bewegliche, dreikantige Stahläule i. In der Rückseite letzterer ist die gezahnte Stange eingelassen, in welch o das mittelst der Schraube I bewegliche, zur groben Einstellung dienende Getriebe eingreift, mittelst dessen der, dem Rohre m angeschraubte Arm k gehoben und gesenkt wird. Als Beleuchtungsapparat dient der Concavspiegel n, der nach allen Richtungen, auch ausserhalb der optischen Achse beweglich ist. Die Blendungsvorrichtung besteht aua Cylinderblenden von drei verschiedenen Weiten, welche mittelst Schlittena gewechselt und durch den Arm gehoben and gesenkt werden können.

Für die mittleren Mikroskope wird diese Vorrichtung durch eine Diaphragmenscheibe ersetzt, welche sechs verschieden weite runde and eine länglich vierseitige Oeffnung besitzt.

Dieses Stativ ist sehr zweckmassig, dauerhaft and schön gebaut. Es besitzt einen festen Stand und ist in seinen Dimensionen höchst bequem zum Arbeiten, indem die Höhe des Objecttisches von dem Arbeitstische nur 115mm, die Höhe des ganzen Instrumentes nur 320 bis 325mm beträgt.

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, OkulareDie Drehung des Tisches ist stetig und correct. Die grobe sowohl als feine Einstellung sind sehr sorgfältig gearbeitet und lassen Nichts zu wünschen übrig. Der Beleuchtungsapparat entspricht ebenfalls gerechten Anforderungen und wäre allenfalls nur noch ein Planspiegel auf der Rückseite des Concavspiegels wünschenswerth.

Nächst dem grossen Oberhäuser'schen Hufeisenstative und dessen Nachbildungen wüsste ich dem grossen Kellner'schen kaum ein anderes an die Seite zu stellen, welches bei gleicher Einfachhit in dem ganzen Baue allen Anforderungen in gleichem Maasse [sic!] entspräche und mit dem es sich so bequem und sicher arbeitete.

Im Jahre 1863 erscheint im Preis-Verzeichniss der optischen Instrumente des von C. Kellner in Wetzlar gegründeten Instituts Nachfolger F. Belthle (Heinrich Frey: Das Mikroskop und die mikroskopische Technik. Verlag von Wilhelm Engelmann; Leipzig 1863: 457) die Vergrösserungstabelle der zu jener Zeit gelieferten Optiken und das hier gezeigte Mikroskopstativ wie folgt:

Okular I.

Okular II.

Okular III.

Entfernung zwischen unterem Ende des
Objektivs und der oberen Fläche eines
ca. 1/10" dicken Deckgläschens.

System 0.

25

35

50

30 Mm.

System 1.

75

110

145

5,2 Mm.

System 2.

145

210

300

1,8 Mm.

System 3.

320

500

700

0,75 Mm.

System 4.

600

1000

1200

0,3 Mm.

2a. Mittleres Mikroskop. Grobe Einstellung durch Zahn und Trieb und feine desgl. durch Mikrometerschraube. - Spiegel für schiefe Beleuchtung . - Bewegung des ganzen Instrumentes um die optische Axe. - Okular I und III und System 0, 1, 2 und 3. Vergrösserungen von 25- 700...85 Thlr.
Dasselbe ohne Bewegung um die optische Axe..80 Thlr.
[...]
Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Grobtrieb Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Grobtrieb10. System 4...20 Thlr.
[...]
23. Okularglasmikrometer, ganze Länge der Theilung 21/2 Millim., ein Millim. in 10 Theile...3 Thlr.

Stative diesen Typs sind recht selten, da sie zwar über einen Grobtrieb verfügen und ergonomisch sehr angenehm ausgeführt sind, jedoch im Gegensatz zum etwas kleineren Stativ des selben Herstellers nur gegen Aufpreis um die optische Achse drehbar ausgeführt werden.

Dieses Mikroskop kann im Sommer 2011 aus einem privaten Nachlass in Witten für diese Sammlung erworben werden. Im Auslieferungsbuch des optischen Instituts erscheint dieses Mikroskop auf Seite 74. Es wird als Stativ 2a am 11. Februar 1864 für 104 Thaler und 20 Kreuzer an Dr. Deicke an die Realschule in Mülheim geliefert, die Zahlung erfolgt über die dortige Komune, das Mikroskop wird also direkt für die Schule erworben. Der Lehrer erhält offenbar knapp eine Woche später zusätzlich einen Zeichenapparat zur Ansicht, welchen er aber dem Hersteller wieder zurück schickt.

Dr. Hermann Gustav Deicke arbeitet ab 1853 als ordentlicher Lehrer an der höheren Bürgerschule zu Mülheim an der Ruhr. Er wird im März 1857 zum Oberlehrer an der Realschule ernannt. Deicke unterrichtet Mathematik, Geometrie, Chemie, Naturlehre und Naturgeschichte in Mülheim und erwirbt dieses Mikroskop offenbar für seine Studien und Lehre. 1878 wird Deicke als Oberlehrer das Prädikat "Professor" verliehen.

Carl Kellner (26.03.1826 - 13.05.1855) gründet das Optische Institut in Wetzlar zusammen mit Moritz Hensoldt im Jahre 1849. Das erste Mikroskopokular wird am 22. Dezember 1849 an den Bremer Apotheker Georg Christian Kindt geliefert, schon am 23. Januar 1850 folgt das nächste Okular an diesen Kunden.
Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Stativfuß Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576, Stativfuß Das erste Mikroskop wird allerdings erst ein gutes Jahr später, am 9. Mai 1851 nach Genf ausgeliefert. Die Instrumente werden sehr gut angenommen und bis 1854 können 131 Mikroskope verkauft werden. Kellner erkrankt 1854 an Darmtuberkulose, sein nahes Ende ahnend weiht er seinen Cousin und Gehilfen Ludwig Engelbert in alle technischen Feinheiten der Herstellung der Mikroskope ein und überträgt ihm die Leitung der Werkstätte kurz vor seinem Tod.

Als im Dezember 1856 jedoch Friedrich Belthle (27.02.1829 - 09.05.1869), ebenfalls ein ehemaliger Gehilfe dieser Werkstatt, die Witwe Kellners heiratet (die bereits im August 1856 außerehelich ein Kind von Belthle zur Welt bringt), scheidet Engelbert aus dem Unternehmen aus. Belthle führt die junge Firma weiter, ab August 1857 mit Heinrich Friedrich Rexroth als Teilhaber.

Carl Kellner; Abb. aus: Dr.med.habil. Alexander Berg: Ernst Leitz Optische Werke Wetzlar 1849 - 1949; Umschau Verlag; Frankfurt am Main 1949 Friedrich Belthle; Abb. aus: Dr.med.habil. Alexander Berg: Ernst Leitz Optische Werke Wetzlar 1849 - 1949; Umschau Verlag; Frankfurt am Main 1949 Werkstatt und Wohnhaus von Carl Kellner; Abb. aus: Dr.med.habil. Alexander Berg: Ernst Leitz Optische Werke Wetzlar 1849 - 1949; Umschau Verlag; Frankfurt am Main 1949
Belthle gelingt es, den Ruf der Firma zu wahren, er bringt selbst aber bis auf die mechanische Optimierung der Instrumente nur geringe Neuerungen hervor. Die Geräte werden in Medizinerkreisen anerkannt, die Firma "Belthle & Rexroth (C. Kellners Nachfolger)" stellt bei der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im September 1858 in Karlsruhe Mikroskope aus, die Belthle dort persönlich präsentiert.

Mittleres Mikroskop C. Kellner ' s Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 576 im Kasten Zu dieser Zeit werden in den Lohnlisten des Unternehmens unter anderem Ernst Gundlach sowie Wilhelm und Heinrich Seibert geführt. Im Jahre 1861 trennen sich Belthle und Rexroth wieder - im selben Jahr verlegt ihr Glaslieferant Théodore Daguet seine Glashütte von Solothurn nach Freiburg/Schweiz.

Unterschrift von Friedrich BelthleErnst Leitz tritt weniger Monate nach Auslieferung dieses Mikroskops Anfang 1864 in die Werkstätte ein, die zu jenem Zeitpunkt eine Jahresproduktion von ungefähr 70 Mikroskopen verzeichnet und sich nach wie vor in dem von Kellner gekauften Haus "am reformierten Treppchen" befindet. Bereits am 7. Oktober 1865 wird Ernst Leitz Teilhaber des Unternehmens. Unter gemeinsamer Leitung wird am 3. September 1867 das 1000. Mikroskop ausgeliefert.

[Vergleiche Referenz 4, 5, 34, 56, 74, 97]

(Datierung mit freundlicher Unterstützung von Rolf Beck, Archiv Leica Microsystems GmbH, 21.06.2011)


27.05.2012 by Timo Mappes

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