Frühes kleines Gundlach-Mikroskop


Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120 Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120 Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120 Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120

Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120 mit Kasten
Frühes kleines Mikroskop von Gundlach; Stativ 7 um 1867. Das Mikroskop ist gefertigt aus zaponiertem und geschwärztem Messing. Das Instrument verfügt über einen Schiebetubus für die Grobeinstellung und eine Feineinstellung über einen aufwendigen Mechanismus zur feinen spielfreien Kippung der Tischebene. Die Beleuchtung erfolgt über einen außerhalb der optischen Achse beweglichen Plan- und Konkavspiegel. Die Blendung wird über einen Lochblendenrevolver erzielt. Das Instrument ist in der Ausstattung mit beiden Objektklemmen komplett erhalten. Liegend wird es im Edelholzkasten untergebracht.

Ausgerüstet ist das Mikroskop mit den Okularen I und III, bei denen jeweils die Augenlinse in einer Schiebehülse geführt wird, um so eine individuelle Einstellung des Okulars für das Auge des Betrachters zu ermöglichen. Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120: SignaturBemerkenswert ist die Form der beiden Objektive No II und No V, im Gegensatz zu späteren Objektiven der Werkstatt von Ernst Gundlach sind sie nicht zylindrisch ausgeführt, sondern im Stile der frühen Objektive aus der Werkstatt von Carl Kellner und dessen Nachfolger Friedrich Belthle in konischer Form. Wahrscheinlich aus Gründen der wirtschaftlicheren Fertigung wird von dieser Bauweise bei Gundlach schon bald abgewichen.

Auf dem runden Fuß ist das Mikroskop dekorativ signiert:

No. 120
E. Gundlach in Berlin

Mikroskop E. Gundlach in Berlin Objektiv No. II Mikroskop E. Gundlach in Berlin Objektiv No. V

Ernst Gundlach wird 1834 in Pyritz (Pommern) geboren und geht ab dem 14. Lebensjahr beim Berliner Hofmechaniker Carl Friedrich Lewert in die Lehre. Nach Abschluss seiner Ausbildung dort reist er über Wien und Amsterdam nach Paris um unter anderem in der Werkstatt von Oberhäuser/Hartnack zu arbeiten. Schließlich führt ihn seine Wanderschaft nach Wetzlar wo er im Optischen Institut arbeitet, welches zu jener Zeit (1858) von Friedrich Belthle geleitet wird. In Wetzlar heiratet Gundlach im Sommer 1859 und gründet mit Unterstützung seines aus jener Stadt stammenden Schwagers einen eigenen Betrieb. Die beiden Brüder Wilhelm (1840 – 1925) und Heinrich (1842 – 1907) Seibert, welche als Verwandte Kellners noch unter dem Institutsgründer angelernt worden sind, kann Gundlach für seine neue Firma gewinnen und zur Kündigung bei Belthle überreden.

Knapp ein Jahr später geht das Unternehmen jedoch wieder ein und Gundlach reist nach England ohne seine Schulden in Wetzlar zu begleichen.

Auf den britischen Inseln arbeitet er bei verschiedenen Optikern und Mechanikern und kehrt schließlich nach Deutschland zurück um 1865 ein Optisches Institut in Berlin zu gründen.

Die erste Werbung für die Mikroskope Gundlachs in Berlin erscheinen 1865 in Literarischer Anzeiger (1865. No. 4), der Beilagen zu J.C. Poggendorff [Hrsg.]: Annalen der Physik und Chemie und O. L. Erdmann und G. Werther [Hrsg.]: Journal für praktische Chemie als:

Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120 Okulare I und IIINeue Microscope

von vorzüglicher Güte, zu sehr billigen Preisen. 1 Microscop mit 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, 60-450fache Vergrösserung 20 Thlr. Mit 3 Objectiven 25 Thlr. Die Querstreifchen in Pleurosigma attenuatum sind scharf und deutlich erkennbar. Proben stehen zur Ansicht bereit.

E. Gundlach, Optikus, Berlin, Oranienstr. 19

Im folgenden Jahr heißt es im April in Pharmaceutische Centralhalle (Pharmaceutische Centralhalle für Deutschland, Zeitung für wissenschaftliche und geschäftliche Interessen der Pharmacie VII (46) (15. November 1866): 424):

Mikroskope.
(Botan. Zeitung von Schlechtendal.)

Die von Herrn E. Gundlach in Berlin verfertigten Mikroskope verdienen meines Erachtens in hohem Grade empfohlen zu werden.

Genauer bekannt sind mir bis jetzt nur die kleineren derselben, z. B. No. 2 mit 2 Objectiv-Systemen und 2 Ocularen, schiefer Beleuchtung, Ocular-Mirkometer [sic!], 50-450facher Vergrösserung, Preis 23 Thlr. Die Bilder sind hell und scharf, namentlich zeichnet sich in penetrirender Wirkung die Objective vor allen mir bekannten kleineren Mikroskopen entschieden aus, indem das starke Objectiv mit Ocular II bei den grossen Exemplaren von Pleurosigma augulata mit schiefer Beleuchtung zwei Liniensysteme, mit Condensator [sic!] die sechseckigen Felder aufs Deutlichste zeigt. Der mechanische Theil ist geschmackvoll und gut gearbeitet. Ein neuerdings ausgegebenes Verzeichnis zählt 18 verschiedene Sorten, von 20-82 Thlrn., bis zu 1000facher Vergrösserung auf.

Marburg, im April 1866

A. Wigand, Prof. d. Bot.

Ernst Gundlach Meine neuesten Mikroskope sind nicht nur die billigsten aller gegenwärtig verfertigten, sondern auch namentlich in ihrer optischen Leistung unübertroffen, und erkläre ich, dass ich dasjenige von mir gelieferte Mikroskop, welches von irgend einem anderen, nicht später als das meinige verfertigten, in seinem optischen Vermögen auch nur im mindesten übertroffen werden sollte, jederzeit selbst nach jahrelangem Gebrauch, unter Rückerstattung des vollen Betrages und sämmtlicher Unkosten zurücknehme. Preis-Courant gratis, Zahlung nach erfolgter Effectuirung.

Berlin, Oranien-Str. 19.

E. Gundlach, Optikus.

Während Hartnack 1859 die Wasserimmersion in die moderne Mikroskopie einführt, stellt Gundlach sieben Jahre später Glyzerin-Immersions-Systeme vor und gewinnt bereits 1867 mit diesen Objektiven eine Medaille bei der Weltausstellung in Paris. Gundlach ist mittlerweile innerhalb Berlins umgezogen; mit neuer Anschrift heißt es in Pharmaceutische Centralhalle (Pharmaceutische Centralhalle für Deutschland, Zeitung für wissenschaftliche und geschäftliche Interessen der Pharmacie VIII (44) (31. October 1867): 388):

Die Mikroskope
von
E. Gundlach in Berlin,
verlängerte Ritterstr. 26

welche auf der diesjährigen Pariser Weltausstellung allein unter allen Mikroskopen Deutschlands durch eine

Preis-Medaille

ausgezeichnet worden sind, werden hiermit zu nachstehenden Preisen empfohlen: Kleines Stativ mit grober und feiner Einstellung, schiefer Beleuchtung; mit 3 Objectiv-Linsen, 1 Ocular, bis 200fach vergr. 12 Thlr. Das nämliche Stativ mit Diaphragma, 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, bis 450fach vergr. 20 Thlr. Grösseres Stativ, mit 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, Mikrometer 26 Thlr. Stativ mit festem Tisch; feiner Einstellung an der Tubussäule (an vielen Universitäten bereits eingeführt); mit 2 Objectiven, 2 Ocularen, Mikrometer 32 Thlr. Dasselbe mit 3 Objectiven 36 Thlr. Dasselbe mit 4 Objectiven, das stärkste System für Immersion, bis 1200fach vergr. 50 Thlr. Preis-Courant gratis.

Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120 FeineinstellungDas hier gezeigte Stativ 7 wird schließlich im Preis-Courant des optischen Instituts von E. Gundlach Berlin aus dem Juli 1868 angeboten als:

Nr. 7 Einfaches Mikroskop. Runder Messingfuss. Schnelle Bewegung des Tubus durch freie Schiebung; genaue Einstellung mittelst am Objecttische befindlicher feiner Schraube; drehbare Blendscheibe mit 5 Diaphragmen; Hohlspiegel nach beiden Seiten hin beweglich. Hierzu die Objective Nr. II und Nr. V, Oculare Nr. I und III; letzteres mit Mikrometer zum Einschieben; Vergrösserung 70-500fach; 3 Test-Objecte, 6 Objectträger, Deckgläser etc. In Mahagonikasten... 26 Thlr.

Dasselbe Instrument ohne Mikrometer ... 24 Thlr.

Vor der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin stellt der Physiologe Gustav Theodor Fritsch im Februar 1869 ein großes Mikroskop von Ernst Gundlach vor. Seit 1867 ist Fritsch Assistent am Anatomischen Institut der Universität Berlin. 1870 veröffentlicht er zusammen mit Eduard Hitzig (1838-1907) die erste deskriptive Lokalisationslehre der motorischen Hirnrinde und wird 1874 zum außerordentlichen Professor für Physilogie der Universität Berlin ernannt. In Botanische Zeitung (Hugo von Mohl, Anton de Bary [Hrsg], Jahrgang 27, Heft 32) vom 6. August 1869 heißt es auf Seite 534-536:

Gesellschaften.
Sitzungs-Bericht der Gesellschaft naturforsch. Freunde zu Berlin vom 16. Februar 1869.
(Beschluss.)

Hr. G. Fritsch stellte ein grosses Mikroskop vor von E. Gundlach in Berlin (Verlängerte Ritterstrasse 26.), und erläuterte die originellen, den Anforderungen der neueren Zeit sehr vollkommen entsprechenden Einrichtungen desselben, wovon Manches auch eigene Erfindungen des genannten Optikus ist. Hierher gehört die Art der feineren Einstellung mittelst einer Parallelogrammverschiebung des Tubus, wodurch der todte Gang der Schraube, sowie ein Rücken des Bildes vollständig vermieden wird; ob diese Einrichtung sich auch durch Dauerhaftigkeit auszeichnet, muss die Zukunft lehren. In Bezug auf die anderweitige Ausstattung ist noch erwähnenswerth der schöne, nach Hartnack'schem Muster construirte Polarisationsapparat, trefflich gearbeiteter Oberhäuser'scher Zeichenapparat, Revolver zum schnellen Wechseln der Objektive etc.
An den starken Objektiven (Nr. 6 trocken und 7, 8, 9 mit Immersion) ist als Correction, um den Einfluss des Deckgläschens zu eliminiren, die sehr zweckmässige, sogenannte innere Correction angebracht, indem sich die obere Linse des Objektivsystems durch eine Schraube verschieben lässt, ohne dass die untere ihre Stellung zum Objekt ändert.
Die Leistungen der Systeme können sich getrost denen der von Hartnack gelieferten an die Seite stellen, wie durch Zahlen bewiesen wurde, welche der Herr Buchhändler Müller durch eingehende Vergleichung verschiedener Systeme gewonnen hatte. Eine in Nr. 8 (Gundlach) wurde verglichen mit Nr. 14 (Hartnack), und es stellten sich sowohl für Focalabstand, Oeffnungswinkel, Objektivvergrösserung und auflösende Kraft günstigere Zahlen für die erstere heraus, während der Preis sich verhält wie 25 Thlr. zu 110 Thlr. Aehnliche bedeutende Unterschiede ergeben sich auch für den Gesammtbetrag. Der Vortragende glaubte daher in der Lage zu sein, die Instrumente des Herrn Gundlach auf das Dringendste empfehlen zu können, welche Empfehlungen sich auch Dr. Kny, der schon längere Zeit mit derartigen Mikroskopen arbeitet, unbedingt anschloss.

Mikroskop E. Gundlach in Berlin No. 120 im KastenAuch der berühmte Bakteriologe Ferdinand Julius Cohn lobt Mikroskope aus der Werkstatt von Ernst Gundlach besonders. In 45. Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur (Josef Max und Komp., Breslau 1871: 77-78) hebt Prof. F. J. Cohn im Bericht der Versammlung der Gesellschaft vom 31. Januar 1867 Gundlachs Streben nach Herstellung sehr vollkommener und dabei sehr billiger Mikroskope hervor:

Ein besonderes Verdienst hat sich Gundlach durch Herstellung von Immersionssystemen erworben, bei denen die kostspielige Correction der Hartnack'schen Linsen durch Eintauchen in einen mehr oder weniger concentrirten Glycerintropfen sinn- und erfolgreich ersetzt wird; die Gundlach'schen Immersionssysteme lösen bei geradem Licht und sehr starker Vergrösserung die Streifen von Pleurosigma angulatum mit ungewöhnlicher Vollkommenheit und stehen, soweit meine bisherigen Erfahrungen reichen, den Hartnack'schen Immersionslinsen nur in der Lichtstärke etwas nach. Dabei ist ihr Preis äusserst mässig; er beträgt für System 7 mit Glyzerin-Immersion und Oeffnungswinkel 175°, Vergrösserung 1140, nur 12 Thlr., während bei Hartnack das Immersionssystem Nr. 9 150 Frcs., Nr. 10 200 und Nr. 11 250 Frcs. kostet; ein Gundlach'sches Immerionssystem mit Correction kostet 15 Thlr. Sehr empfehlendswerth ist auch Gundlachs Präparirmikroskop, deren eins im Besitz des hiesigen phytophysiologischen Instituts ist; es kostet mit zwei Doubletts (Vrg. 10 und 20) und festem Mahagonikasten, zum Auflegen der Hände eingerichtet, 12 Thlr.

Prof. F. J. Cohn bleibt treuer Kunde von Gundlach und so ist im 48. Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur (Josef Max und Komp., Breslau 1871: 97) zu lesen, dass Cohn für das Pflanzenphysiologische Institut der Universität Breslau ein Stativ Nr. 5 von E. Gundlach mit den Objektiven II, IV, VI und VIII erworben hat und bei der fünften Versammlung der Gesellschaft im Frühjahr 1870 diesen Optiken bescheinigt, eine colossale Stärke der Vergrösserung, Reinheit des Bildes, Grösse des Gesichtsfeldes und der Focaldistanz [zu vereinigen] wie sie in dieser Vollendung bisher allein Hartnack zu leisten im Stande war.

Durch diese Reputation und hohe Löhne gelingt es Gundlach die ihm aus der Vergangenheit bekannten Gebrüder Seibert in Wetzlar bereits 1866 bzw. 1867 für die Produktion von Optiken und Stativen für seine Berliner Firma zu überzeugen. Beide haben mittlerweile Erfahrung in anderen Werkstätten gesammelt und beliefern zuvor Belthle in Heimarbeit, bis sie schließlich ausschließlich für Gundlach fertigen. Während Heinrich Seibert Mikroskoplinsen zur Fassung nach Berlin liefert, produziert Wilhelm Seibert Stative für Ernst Gundlach.

Noch bevor das Mikroskop mit der Seriennummer 750 gefertigt wird zieht das expandierende Unternehmen im Februar 1871 in der Leibnitzstraße nach Charlottenburg; von nun an lautet die Signatur auf den Mikroskopen nur noch E. Gundlach. Die überdurchschnittlich hohen Löhne werden Gundlach zum Verhängnis und so muss er im August 1872 Konkurs anmelden.

Mit finanzieller Beteiligung des Wetzlarer Kaufmanns Georg Krafft machen sich Wilhelm und Heinrich Seibert wenige Monate zuvor selbständig und stellen ihre Lieferungen an Gundlach ein, da dieser die Wechsel nicht mehr begleicht. Im Spätsommer 1872 übernimmt diese Firma das Unternehmen von Gundlach und signiert die Mikroskope zunächst noch mit E. Gundlach. In den Wintermonaten 1873 wird das Mikroskop mit der Seriennummer 1000 gefertigt. Schließlich verlegt man die Werkstätte mit dem Namen E. Gundlach's Nachfolger Seibert & Krafft zum 1. Oktober 1873 nach Wetzlar. Die Nummerierung von Gundlach wird ohne Unterbrechung weitergeführt.

Signatur von Ernst Gundlach, aus einer US-amerikanischen PatentschriftGundlach verpflichtet sich beim Verkauf der Firma an Seibert & Krafft dazu, in den kommenden 25 Jahren in Deutschland kein Unternehmen mehr zu gründen. Er wandert mit seiner Frau und dem gerade 4 Wochen alten Sohn Karl im September 1872 in die USA aus um dort kurzzeitig mit Prof. Robert Bruce Tolles zusammen zu arbeiten. Schließlich baut Gundlach 1876 die neu gebildete Mikroskop-Abteilung von Bausch & Lomb Optical Company auf und entwickelt hier unter anderem den Professional-Stand (darauf verschiedene Patente, sowie die Goldmedaille auf der Weltausstellung in Philadelphia). Im Jahr 1878 macht sich der als im persönlichen Umgang schwierig beschriebene Ernst Gundlach mit der Gründung der Gundlach Manhattan Optical Comp. in Rochester, NY selbstständig - die Firma wird 1884 in Gundlach Optical Company umbenannt und 1893 zieht sich Gundlach aus dem Unternehmen zurück. 1904 kehrt Gundlach nach Berlin zurück, er soll hier in hohem Alter noch einmal einen Betrieb gegründet haben - 1908 erliegt er den Folgen eines Schlaganfalls.

(Referenz 2, 37, 89)



18.03.2006 by Timo Mappes

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