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No. 5 Mittleres festes Mikroskop (ohne Schiefstellung);
mit Blei gefüllter Messingfuss; Cylinderblendung mit einfacher vertikaler
Schiebung und ohne Schlitten (3 Diaphragmen); Hohl- und Planspiegel nach
beiden Seiten hin beweglich. Schnelle Bewegung des Tubus durch freie Schiebung;
genaue Einstellung mittelst feiner Schraube, deren Handknopf sich unter der
Tubussäule befindet (Bewegung ohne Friction, siehe No. 1). Hierzu die
Objective Nr. I, III, V und VIIb , Oculare Nr. I, II und III;
letzteres mit Mikrometer zum Einschieben; Vergrösserung 30-1150fach;
Condensator [sic!], 8 Test-Objecte, 12 Objectträger, Deckgläser
etc. In starkem Mahagoni-Kasten, die Objective in besonderem Leder-Etui
... 68 Thlr.
[...]
Dasselbe Instrument mit den Objectiven Nr. I, III und V, Ocularen
I und III; Vergrösserung 30-500fach; Mikrometer, 4 Test-Objecte, 6
Objectträger, Deckgläser etc. ... 42 Thlr.
[...]
Damit kostet das hier gezeigte Mikroskop 1869 laut Preisliste 42 Thaler.
Ende September 2009 kann das Mikroskop aus den USA für diese Sammlung
erworben werden.
Ernst Gundlach wird 1834 in Pyritz (Pommern) geboren und geht ab dem 14.
Lebensjahr beim Berliner Hofmechaniker Carl Friedrich Lewert in die Lehre.
Nach Abschluss seiner Ausbildung dort reist er über Wien und Amsterdam
nach Paris um unter anderem in der Werkstatt von
Oberhäuser/Hartnack zu arbeiten.
Schließlich führt ihn seine Wanderschaft nach Wetzlar wo er im
Optischen Institut arbeitet, welches zu jener Zeit (1858) von
Friedrich Belthle geleitet wird. In Wetzlar
heiratet Gundlach im Sommer 1859 und gründet mit Unterstützung
seines aus jener Stadt stammenden Schwagers einen eigenen Betrieb. Die beiden
Brüder Wilhelm (1840 1925) und Heinrich (1842 1907) Seibert,
welche als Verwandte Kellners noch unter
dem Institutsgründer angelernt worden sind, kann Gundlach für
seine neue Firma gewinnen und zur Kündigung bei Belthle überreden.
Knapp ein Jahr später geht das Unternehmen jedoch wieder ein und Gundlach
reist nach England ohne seine Schulden in Wetzlar zu begleichen.
Auf den britischen Inseln arbeitet er bei verschiedenen Optikern und Mechanikern
und kehrt schließlich nach Deutschland zurück um 1865 ein Optisches
Institut in Berlin zu gründen.
Die erste Werbung für die Mikroskope Gundlachs in Berlin erscheinen
1865 in Literarischer Anzeiger (1865. No. 4), der Beilagen zu J.C.
Poggendorff [Hrsg.]: Annalen der Physik und Chemie und O. L. Erdmann
und G. Werther [Hrsg.]: Journal für praktische Chemie als:
Neue Microscope
von vorzüglicher Güte, zu sehr billigen Preisen. 1 Microscop
mit 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, 60-450fache Vergrösserung 20 Thlr.
Mit 3 Objectiven 25 Thlr. Die Querstreifchen in Pleurosigma attenuatum sind
scharf und deutlich erkennbar. Proben stehen zur Ansicht bereit.
E. Gundlach, Optikus, Berlin, Oranienstr. 19 |
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Während Hartnack 1859 die Wasserimmersion in die moderne Mikroskopie
einführt, stellt Gundlach sieben Jahre später
Glyzerin-Immersions-Systeme vor und gewinnt bereits 1867 mit diesen Objektiven
eine Medaille bei der Weltausstellung in Paris. Gundlach ist mittlerweile
innerhalb Berlins umgezogen; mit neuer Anschrift heißt es in
Pharmaceutische Centralhalle (Pharmaceutische Centralhalle für
Deutschland, Zeitung für wissenschaftliche und geschäftliche Interessen
der Pharmacie VIII (44) (31. October 1867): 388):
Die Mikroskope
von
E. Gundlach in Berlin,
verlängerte Ritterstr. 26
welche auf der diesjährigen Pariser Weltausstellung allein unter
allen Mikroskopen Deutschlands durch eine
Preis-Medaille
ausgezeichnet worden sind, werden hiermit zu nachstehenden Preisen empfohlen:
Kleines Stativ mit grober und feiner Einstellung, schiefer Beleuchtung; mit
3 Objectiv-Linsen, 1 Ocular, bis 200fach vergr. 12 Thlr. Das nämliche
Stativ mit Diaphragma, 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, bis 450fach vergr.
20 Thlr. Grösseres Stativ, mit 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, Mikrometer
26 Thlr. Stativ mit festem Tisch; feiner Einstellung an der Tubussäule
(an vielen Universitäten bereits eingeführt); mit 2 Objectiven,
2 Ocularen, Mikrometer 32 Thlr. Dasselbe mit 3 Objectiven 36 Thlr. Dasselbe
mit 4 Objectiven, das stärkste System für Immersion, bis 1200fach
vergr. 50 Thlr. Preis-Courant gratis.
Vor der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin
stellt der Physiologe Gustav Theodor Fritsch im Februar 1869 ein großes
Mikroskop von Ernst Gundlach vor. Seit 1867 ist Fritsch Assistent am Anatomischen
Institut der Universität Berlin. 1870 veröffentlicht er zusammen
mit Eduard Hitzig (1838-1907) die erste deskriptive Lokalisationslehre der
motorischen Hirnrinde und wird 1874 zum außerordentlichen Professor
für Physilogie der Universität Berlin ernannt. In Botanische
Zeitung (Hugo von Mohl, Anton de Bary [Hrsg], Jahrgang 27, Heft 32) vom
6. August 1869 heißt es auf Seite 534-536:
Gesellschaften.
Sitzungs-Bericht der Gesellschaft naturforsch. Freunde zu Berlin vom 16.
Februar 1869.
(Beschluss.)
Hr. G. Fritsch stellte ein grosses
Mikroskop vor von E. Gundlach in Berlin (Verlängerte Ritterstrasse
26.), und erläuterte die originellen, den Anforderungen der neueren
Zeit sehr vollkommen entsprechenden Einrichtungen desselben, wovon Manches
auch eigene Erfindungen des genannten Optikus ist. Hierher gehört die
Art der feineren Einstellung mittelst einer Parallelogrammverschiebung des
Tubus, wodurch der todte Gang der Schraube, sowie ein Rücken des Bildes
vollständig vermieden wird; ob diese Einrichtung sich auch durch
Dauerhaftigkeit auszeichnet, muss die Zukunft lehren. In Bezug auf die
anderweitige Ausstattung ist noch erwähnenswerth der schöne, nach
Hartnack'schem Muster construirte Polarisationsapparat, trefflich gearbeiteter
Oberhäuser'scher Zeichenapparat, Revolver zum schnellen Wechseln der
Objektive etc.
An den starken Objektiven (Nr. 6 trocken und 7, 8, 9 mit Immersion) ist
als Correction, um den Einfluss des Deckgläschens zu eliminiren, die
sehr zweckmässige, sogenannte innere Correction angebracht, indem sich
die obere Linse des Objektivsystems durch eine Schraube verschieben lässt,
ohne dass die untere ihre Stellung zum Objekt ändert.
Die Leistungen der Systeme können sich getrost denen
der von Hartnack gelieferten an die Seite stellen, wie durch Zahlen bewiesen
wurde, welche der Herr Buchhändler Müller durch eingehende Vergleichung
verschiedener Systeme gewonnen hatte. Eine in Nr. 8 (Gundlach) wurde verglichen
mit Nr. 14 (Hartnack), und es stellten sich sowohl für Focalabstand,
Oeffnungswinkel, Objektivvergrösserung und auflösende Kraft
günstigere Zahlen für die erstere heraus, während der Preis
sich verhält wie 25 Thlr. zu 110 Thlr. Aehnliche bedeutende Unterschiede
ergeben sich auch für den Gesammtbetrag. Der Vortragende glaubte daher
in der Lage zu sein, die Instrumente des Herrn Gundlach auf das Dringendste
empfehlen zu können, welche Empfehlungen sich auch Dr. Kny, der schon
längere Zeit mit derartigen Mikroskopen arbeitet, unbedingt anschloss.
Auch der berühmte Bakteriologe Ferdinand Julius Cohn lobt Mikroskope
aus der Werkstatt von Ernst Gundlach besonders. In 45. Jahres-Bericht
der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur (Josef
Max und Komp., Breslau 1871: 77-78) hebt Prof. F. J. Cohn im Bericht der
Versammlung der Gesellschaft vom 31. Januar 1867 Gundlachs Streben nach
Herstellung sehr vollkommener und dabei sehr billiger Mikroskope hervor:
Ein besonderes Verdienst hat sich Gundlach durch Herstellung
von Immersionssystemen erworben, bei denen die kostspielige Correction der
Hartnack'schen Linsen durch Eintauchen in einen mehr oder weniger concentrirten
Glycerintropfen sinn- und erfolgreich ersetzt wird; die Gundlach'schen
Immersionssysteme lösen bei geradem Licht und sehr starker
Vergrösserung die Streifen von Pleurosigma angulatum mit
ungewöhnlicher Vollkommenheit und stehen, soweit meine bisherigen
Erfahrungen reichen, den Hartnack'schen Immersionslinsen nur in der
Lichtstärke etwas nach. Dabei ist ihr Preis äusserst mässig;
er beträgt für System 7 mit Glyzerin-Immersion und Oeffnungswinkel
175°, Vergrösserung 1140, nur 12 Thlr., während bei Hartnack
das Immersionssystem Nr. 9 150 Frcs., Nr. 10 200 und Nr. 11 250 Frcs. kostet;
ein Gundlach'sches Immerionssystem mit Correction kostet 15 Thlr. Sehr
empfehlendswerth ist auch Gundlachs Präparirmikroskop, deren eins im
Besitz des hiesigen phytophysiologischen Instituts ist; es kostet mit zwei
Doubletts (Vrg. 10 und 20) und festem Mahagonikasten, zum Auflegen der
Hände eingerichtet, 12 Thlr.
Prof. F. J. Cohn bleibt treuer Kunde von Gundlach und so ist
im 48. Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für
vaterländische Cultur (Josef Max und Komp., Breslau 1871: 97) zu
lesen, dass Cohn für das Pflanzenphysiologische Institut der
Universität Breslau ein Stativ Nr. 5 (den
konstruktiven Nachfolger des hier gezeigten Mikroskops) von Gundlach,
entsprechend dem hier gezeigten, mit den Objektiven II, IV, VI und VIII erworben
hat und bei der fünften Versammlung der Gesellschaft im Frühjahr
1870 diesen Optiken bescheinigt, eine colossale Stärke der
Vergrösserung, Reinheit des Bildes, Grösse des Gesichtsfeldes und
der Focaldistanz [zu vereinigen] wie sie in dieser Vollendung bisher
allein Hartnack zu leisten im Stande war.
Durch diese Reputation und hohe Löhne gelingt es Gundlach
die ihm aus der Vergangenheit bekannten Gebrüder Seibert in Wetzlar
bereits 1866 bzw. 1867 für die Produktion von Optiken und Stativen für
seine Berliner Firma zu überzeugen. Beide haben mittlerweile Erfahrung
in anderen Werkstätten gesammelt und beliefern zuvor Belthle in Heimarbeit,
bis sie schließlich ausschließlich für Gundlach
fertigen. Während Heinrich Seibert Mikroskoplinsen zur Fassung
nach Berlin liefert, produziert Wilhelm Seibert Stative für Ernst Gundlach.
Noch bevor das Mikroskop mit der Seriennummer 750 gefertigt wird zieht das
expandierende Unternehmen im Februar 1871 in der Leibnitzstraße nach
Charlottenburg; von nun an lautet die Signatur auf den Mikroskopen nur noch
E. Gundlach. Die überdurchschnittlich hohen Löhne werden
Gundlach zum Verhängnis und so muss er im August 1872 Konkurs anmelden.
Mit finanzieller Beteiligung des Wetzlarer Kaufmanns Georg
Krafft machen sich Wilhelm und Heinrich Seibert wenige Monate zuvor
selbständig und stellen ihre Lieferungen an Gundlach ein, da dieser
die Wechsel nicht mehr begleicht. Im Spätsommer 1872 übernimmt
diese Firma das Unternehmen von Gundlach und signiert die Mikroskope
zunächst noch mit E. Gundlach. In den Wintermonaten 1873 wird
das Mikroskop mit der Seriennummer 1000 gefertigt. Schließlich verlegt
man die Werkstätte mit dem Namen E. Gundlach's Nachfolger Seibert
& Krafft zum 1. Oktober 1873 nach Wetzlar. Die Nummerierung von Gundlach
wird ohne Unterbrechung weitergeführt.
Gundlach verpflichtet sich beim Verkauf der Firma an Seibert
& Krafft dazu, in den kommenden 25 Jahren in Deutschland kein Unternehmen
mehr zu gründen. Er wandert mit seiner Frau und dem gerade 4 Wochen
alten Sohn Karl im September 1872 in die USA aus um dort kurzzeitig mit Prof.
Robert Bruce Tolles zusammen zu arbeiten. Schließlich baut Gundlach
1876 die neu gebildete Mikroskop-Abteilung von Bausch & Lomb Optical
Company auf und entwickelt hier unter anderem den
Professional-Stand (darauf verschiedene Patente, sowie die Goldmedaille
auf der Weltausstellung in Philadelphia). Im Jahr 1878 macht sich der als
im persönlichen Umgang schwierig beschriebene Ernst Gundlach mit der
Gründung der Gundlach Manhattan Optical Comp. in Rochester, NY
selbstständig - die Firma wird 1884 in Gundlach Optical Company
umbenannt und 1893 zieht sich Gundlach aus dem Unternehmen zurück. 1904
kehrt Gundlach nach Berlin zurück, er soll hier in hohem Alter noch
einmal einen Betrieb gegründet haben - 1908 erliegt er den Folgen
eines Schlaganfalls.
(Referenz 2, 37, 89) |