Mittleres Gundlach-Mikroskop


Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239 Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239 Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239 Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239

Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239

Mittleres Mikroskop von Gundlach; Stativ 5 um 1868; Mikroskop aus zaponiertem und geschwärztem Messing. Das Instrument verfügt über einen Schiebetubus für die Grobeinstellung und eine Feineinstellung über Parallelogrammführung, zu bedienen durch ein Rändelrad unter der Tischebene.

Die Beleuchtung erfolgt über einen außerhalb der optischen Achse beweglichen Konkavspiegel. Die Blendung wird über eine Revolverlochblendenschiebe mit vier Aperturen und einer integrierten Kondensorlinse erzielt.

Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239: SignaturAuf dem Tubus ist das Mikroskop schlicht signiert:

No 239.
E. Gundlach.
Berlin.

Die optische Ausrüstung des Instruments umfasst die Objektive E. Gundlach No I, E. Gundlach No III und E. Gundlach No V sowie die Okulare Nr. I, Nr. II und Nr. III .

Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239, OkulareDas Instrument ist mit den beiden Objektklemmen in der Ausstattung komplett. Liegend wird das Mikroskop im Mahagonikasten untergebracht.

Dieses Stativ 5 wird im Preis-Courant des optischen Instituts von E. Gundlach Berlin aus dem Juli 1868 angeboten als:

Nr. 5 Mittleres festes Mikroskop (ohne Schiefstellung und ohne drehbaren Tisch); hufeisenförmiger Messingfuss; Cylinderblendung mit einfacher vertikaler Schiebung und ohne Schlitten (mit 3 Diaphragmen); Hohl- und Planspiegel nach beiden Seiten hin beweglich. Schnelle Bewegung des Tubus durch freie Schiebung; genaue Einstellung mittelst feiner Schraube, deren Handknopf sich unter der Tubussäule befindet (Bewegung ohne Friction, siehe Nr. 1). Hierzu die Objective Nr. I, III, V und VIIb , Oculare Nr. I, II und III, letzteres mit Mikrometer zum Einschieben; Vergrösserung 30-1150fach; Condensator [sic!], 8 Test-Objecte, 12 Objectträger, Deckgläser etc. In starkem Mahagoni-Kasten, die Objective in besonderem Leder-Etui ... 62 Thlr.

[...]

Dasselbe Instrument mit den Objectiven Nr. I, III und V, Ocularen I und III; Vergrösserung 30-500fach; Mikrometer, 4 Test-Objecte, 6 Objectträger, Deckgläser etc. ... 40 Thlr.

ehemaliger Besitzer von Gundlach Mikroskop Nr. 239: Prof. Herman Tewes Deelman (1962), nach einem Gemälde von Willem Gerhard Hofker (1902-1981), (c) Universiteit van Amerstdam[...]

Ocular Nr. I, II und IIIa ... 2 1/2 Thlr.

Damit kostet das hier gezeigte Mikroskop 1868 mit dem zusätzlichen Okular 42 1/2 Thaler.

Die eingeschlagene Zahl 239 ist in die Objektive und Okulare des Mikroskops eingeschlagen, nur Objektiv Nr. V trägt die Zahl 240.

Das hier gezeigte Mikroskop stammt aus dem Nachlass von Prof. Herman Tewes Deelman (1892-1965), Pathologe und Pionier bei der Erforschung von Hautkrebs. Deelman leitet 1919-1924 die Pathologie des Antoni van Leeuwenhoekhuis in Amsterdam. Er folgt 1924 einem Ruf an die Universität Groningen und kehrt 1934 nach Amsterdam zurück, dort wirkt er unter anderem am Wilhelmina Gasthuis Krankenhaus.

H. T. Deelman wird dieses Mikroskop sicher nicht für seine Forschungen eingesetzt haben, möglicherweise stammt es aus seiner frühen Studienzeit oder aus seiner privaten Sammlung.

Ende Juli 2007 kann das Mikroskop für diese Sammlung erworben werden.

E. Gundlach Berlin, Objektiv Nr. I E. Gundlach Berlin, Objektiv Nr. III E. Gundlach Berlin, Objektiv Nr. V
Ernst Gundlach wird 1834 in Pyritz (Pommern) geboren und geht ab dem 14. Lebensjahr beim Berliner Hofmechaniker Carl Friedrich Lewert in die Lehre. Nach Abschluss seiner Ausbildung dort reist er über Wien und Amsterdam nach Paris um unter anderem in der Werkstatt von Oberhäuser/Hartnack zu arbeiten. Schließlich führt ihn seine Wanderschaft nach Wetzlar wo er im Optischen Institut arbeitet, welches zu jener Zeit (1858) von Friedrich Belthle geleitet wird. In Wetzlar heiratet Gundlach im Sommer 1859 und gründet mit Unterstützung seines aus jener Stadt stammenden Schwagers einen eigenen Betrieb. Die beiden Brüder Wilhelm (1840 – 1925) und Heinrich (1842 – 1907) Seibert, welche als Verwandte Kellners noch unter dem Institutsgründer angelernt worden sind, kann Gundlach für seine neue Firma gewinnen und zur Kündigung bei Belthle überreden.
Knapp ein Jahr später geht das Unternehmen jedoch wieder ein und Gundlach reist nach England ohne seine Schulden in Wetzlar zu begleichen.

Auf den britischen Inseln arbeitet er bei verschiedenen Optikern und Mechanikern und kehrt schließlich nach Deutschland zurück um 1865 ein Optisches Institut in Berlin zu gründen.

Ernst GundlachDie erste Werbung für die Mikroskope Gundlachs in Berlin erscheinen 1865 in Literarischer Anzeiger (1865. No. 4), der Beilagen zu J.C. Poggendorff [Hrsg.]: Annalen der Physik und Chemie und O. L. Erdmann und G. Werther [Hrsg.]: Journal für praktische Chemie als:

Neue Microscope

von vorzüglicher Güte, zu sehr billigen Preisen. 1 Microscop mit 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, 60-450fache Vergrösserung 20 Thlr. Mit 3 Objectiven 25 Thlr. Die Querstreifchen in Pleurosigma attenuatum sind scharf und deutlich erkennbar. Proben stehen zur Ansicht bereit.

E. Gundlach, Optikus, Berlin, Oranienstr. 19

Während Hartnack 1859 die Wasserimmersion in die moderne Mikroskopie einführt, stellt Gundlach sieben Jahre später Glyzerin-Immersions-Systeme vor und gewinnt bereits 1867 mit diesen Objektiven eine Medaille bei der Weltausstellung in Paris. Gundlach ist mittlerweile innerhalb Berlins umgezogen; mit neuer Anschrift heißt es in Pharmaceutische Centralhalle (Pharmaceutische Centralhalle für Deutschland, Zeitung für wissenschaftliche und geschäftliche Interessen der Pharmacie VIII (44) (31. October 1867): 388):

Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239, DetailDie Mikroskope
von
E. Gundlach in Berlin,
verlängerte Ritterstr. 26

welche auf der diesjährigen Pariser Weltausstellung allein unter allen Mikroskopen Deutschlands durch eine

Preis-Medaille

ausgezeichnet worden sind, werden hiermit zu nachstehenden Preisen empfohlen: Kleines Stativ mit grober und feiner Einstellung, schiefer Beleuchtung; mit 3 Objectiv-Linsen, 1 Ocular, bis 200fach vergr. 12 Thlr. Das nämliche Stativ mit Diaphragma, 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, bis 450fach vergr. 20 Thlr. Grösseres Stativ, mit 2 Objectiv-Systemen, 2 Ocularen, Mikrometer 26 Thlr. Stativ mit festem Tisch; feiner Einstellung an der Tubussäule (an vielen Universitäten bereits eingeführt); mit 2 Objectiven, 2 Ocularen, Mikrometer 32 Thlr. Dasselbe mit 3 Objectiven 36 Thlr. Dasselbe mit 4 Objectiven, das stärkste System für Immersion, bis 1200fach vergr. 50 Thlr. Preis-Courant gratis.

Vor der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin stellt der Physiologe Gustav Theodor Fritsch im Februar 1869 ein großes Mikroskop von Ernst Gundlach vor. Seit 1867 ist Fritsch Assistent am Anatomischen Institut der Universität Berlin. 1870 veröffentlicht er zusammen mit Eduard Hitzig (1838-1907) die erste deskriptive Lokalisationslehre der motorischen Hirnrinde und wird 1874 zum außerordentlichen Professor für Physilogie der Universität Berlin ernannt. In Botanische Zeitung (Hugo von Mohl, Anton de Bary [Hrsg], Jahrgang 27, Heft 32) vom 6. August 1869 heißt es auf Seite 534-536:

Gesellschaften.
Sitzungs-Bericht der Gesellschaft naturforsch. Freunde zu Berlin vom 16. Februar 1869.
(Beschluss.)

Hr. G. Fritsch stellte ein grosses Mikroskop vor von E. Gundlach in Berlin (Verlängerte Ritterstrasse 26.), und erläuterte die originellen, den Anforderungen der neueren Zeit sehr vollkommen entsprechenden Einrichtungen desselben, wovon Manches auch eigene Erfindungen des genannten Optikus ist. Hierher gehört die Art der feineren Einstellung mittelst einer Parallelogrammverschiebung des Tubus, wodurch der todte Gang der Schraube, sowie ein Rücken des Bildes vollständig vermieden wird; ob diese Einrichtung sich auch durch Dauerhaftigkeit auszeichnet, muss die Zukunft lehren. In Bezug auf die anderweitige Ausstattung ist noch erwähnenswerth der schöne, nach Hartnack'schem Muster construirte Polarisationsapparat, trefflich gearbeiteter Oberhäuser'scher Zeichenapparat, Revolver zum schnellen Wechseln der Objektive etc.
An den starken Objektiven (Nr. 6 trocken und 7, 8, 9 mit Immersion) ist als Correction, um den Einfluss des Deckgläschens zu eliminiren, die sehr zweckmässige, sogenannte innere Correction angebracht, indem sich die obere Linse des Objektivsystems durch eine Schraube verschieben lässt, ohne dass die untere ihre Stellung zum Objekt ändert.
Die Leistungen der Systeme können sich getrost denen der von Hartnack gelieferten an die Seite stellen, wie durch Zahlen bewiesen wurde, welche der Herr Buchhändler Müller durch eingehende Vergleichung verschiedener Systeme gewonnen hatte. Eine in Nr. 8 (Gundlach) wurde verglichen mit Nr. 14 (Hartnack), und es stellten sich sowohl für Focalabstand, Oeffnungswinkel, Objektivvergrösserung und auflösende Kraft günstigere Zahlen für die erstere heraus, während der Preis sich verhält wie 25 Thlr. zu 110 Thlr. Aehnliche bedeutende Unterschiede ergeben sich auch für den Gesammtbetrag. Der Vortragende glaubte daher in der Lage zu sein, die Instrumente des Herrn Gundlach auf das Dringendste empfehlen zu können, welche Empfehlungen sich auch Dr. Kny, der schon längere Zeit mit derartigen Mikroskopen arbeitet, unbedingt anschloss.

Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239, DetailAuch der berühmte Bakteriologe Ferdinand Julius Cohn lobt Mikroskope aus der Werkstatt von Ernst Gundlach besonders. In 45. Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur (Josef Max und Komp., Breslau 1871: 77-78) hebt Prof. F. J. Cohn im Bericht der Versammlung der Gesellschaft vom 31. Januar 1867 Gundlachs Streben nach Herstellung sehr vollkommener und dabei sehr billiger Mikroskope hervor:

Ein besonderes Verdienst hat sich Gundlach durch Herstellung von Immersionssystemen erworben, bei denen die kostspielige Correction der Hartnack'schen Linsen durch Eintauchen in einen mehr oder weniger concentrirten Glycerintropfen sinn- und erfolgreich ersetzt wird; die Gundlach'schen Immersionssysteme lösen bei geradem Licht und sehr starker Vergrösserung die Streifen von Pleurosigma angulatum mit ungewöhnlicher Vollkommenheit und stehen, soweit meine bisherigen Erfahrungen reichen, den Hartnack'schen Immersionslinsen nur in der Lichtstärke etwas nach. Dabei ist ihr Preis äusserst mässig; er beträgt für System 7 mit Glyzerin-Immersion und Oeffnungswinkel 175°, Vergrösserung 1140, nur 12 Thlr., während bei Hartnack das Immersionssystem Nr. 9 150 Frcs., Nr. 10 200 und Nr. 11 250 Frcs. kostet; ein Gundlach'sches Immerionssystem mit Correction kostet 15 Thlr. Sehr empfehlendswerth ist auch Gundlachs Präparirmikroskop, deren eins im Besitz des hiesigen phytophysiologischen Instituts ist; es kostet mit zwei Doubletts (Vrg. 10 und 20) und festem Mahagonikasten, zum Auflegen der Hände eingerichtet, 12 Thlr.

Prof. F. J. Cohn bleibt treuer Kunde von Gundlach und so ist im 48. Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur (Josef Max und Komp., Breslau 1871: 97) zu lesen, dass Cohn für das Pflanzenphysiologische Institut der Universität Breslau ein Stativ Nr. 5 (den konstruktiven Nachfolger des hier gezeigten Mikroskops) von Gundlach, entsprechend dem hier gezeigten, mit den Objektiven II, IV, VI und VIII erworben hat und bei der fünften Versammlung der Gesellschaft im Frühjahr 1870 diesen Optiken bescheinigt, eine colossale Stärke der Vergrösserung, Reinheit des Bildes, Grösse des Gesichtsfeldes und der Focaldistanz [zu vereinigen] wie sie in dieser Vollendung bisher allein Hartnack zu leisten im Stande war.

Durch diese Reputation und hohe Löhne gelingt es Gundlach die ihm aus der Vergangenheit bekannten Gebrüder Seibert in Wetzlar bereits 1866 bzw. 1867 für die Produktion von Optiken und Stativen für seine Berliner Firma zu überzeugen. Beide haben mittlerweile Erfahrung in anderen Werkstätten gesammelt und beliefern zuvor Belthle in Heimarbeit, bis sie schließlich ausschließlich für Gundlach fertigen. Während Heinrich Seibert Mikroskoplinsen zur Fassung nach Berlin liefert, produziert Wilhelm Seibert Stative für Ernst Gundlach.

Noch bevor das Mikroskop mit der Seriennummer 750 gefertigt wird zieht das expandierende Unternehmen im Februar 1871 in der Leibnitzstraße nach Charlottenburg; von nun an lautet die Signatur auf den Mikroskopen nur noch E. Gundlach. Die überdurchschnittlich hohen Löhne werden Gundlach zum Verhängnis und so muss er im August 1872 Konkurs anmelden.

Mikroskop Stativ V von E. Gundlach Berlin, Nr. 239 im Kasten Mit finanzieller Beteiligung des Wetzlarer Kaufmanns Georg Krafft machen sich Wilhelm und Heinrich Seibert wenige Monate zuvor selbständig und stellen ihre Lieferungen an Gundlach ein, da dieser die Wechsel nicht mehr begleicht. Im Spätsommer 1872 übernimmt diese Firma das Unternehmen von Gundlach und signiert die Mikroskope zunächst noch mit E. Gundlach. In den Wintermonaten 1873 wird das Mikroskop mit der Seriennummer 1000 gefertigt. Schließlich verlegt man die Werkstätte mit dem Namen E. Gundlach's Nachfolger Seibert & Krafft zum 1. Oktober 1873 nach Wetzlar. Die Nummerierung von Gundlach wird ohne Unterbrechung weitergeführt.

Signatur von Ernst Gundlach, aus einer US-amerikanischen PatentschriftGundlach verpflichtet sich beim Verkauf der Firma an Seibert & Krafft dazu, in den kommenden 25 Jahren in Deutschland kein Unternehmen mehr zu gründen. Er wandert mit seiner Frau und dem gerade 4 Wochen alten Sohn Karl im September 1872 in die USA aus um dort kurzzeitig mit Prof. Robert Bruce Tolles zusammen zu arbeiten. Schließlich baut Gundlach 1876 die neu gebildete Mikroskop-Abteilung von Bausch & Lomb Optical Company auf und entwickelt hier unter anderem den Professional-Stand (darauf verschiedene Patente, sowie die Goldmedaille auf der Weltausstellung in Philadelphia). Im Jahr 1878 macht sich der als im persönlichen Umgang schwierig beschriebene Ernst Gundlach mit der Gründung der Gundlach Manhattan Optical Comp. in Rochester, NY selbstständig - die Firma wird 1884 in Gundlach Optical Company umbenannt und 1893 zieht sich Gundlach aus dem Unternehmen zurück. 1904 kehrt Gundlach nach Berlin zurück, er soll hier in hohem Alter noch einmal einen Betrieb gegründet haben - 1908 erliegt er den Folgen eines Schlaganfalls.

(Referenz 2, 37, 89)


02.01.2008 by Timo Mappes

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