Theodolitmikroskop nach Brandão-Leiß, R.Fuess um 1925. Großes Polarisationsmikroskop aus schwarz lackiertem, vernickeltem und zaponiertem Messing, lackiertem Aluminium sowie gebläutem Stahl. Es handelt sich bei diesem und seinen konstruktiven Nachfolgern um die einizigen Mikroskope, bei dem ein großer Fedorow'scher Universaldrehtisch den eigentlichen Objekttisch ersetzt. | ||||
Das
große Polarisationsmikroskop für petrographische Untersuchungen,
insbesondere die kristalloptische Charakterisierung des Feldspats, ist
ausgestattet mit sämtlichen drei mit diesem Instrument zu verwendenden
Fuess-Objektiven 14 mm (Fuess-Objektiv Nr.
4), 22 mm und 32 mm
sowie zusätzlich dem Objektiv Busch
Co Seriennummer 40650.
Die letzteren beiden Objektive werden in passenden schwarz lackierten Messingdöschen aufbewahrt. Die Objektive sind dabei mit Scheiben für den Objektiv-Zangenwechsler versehen. An Fuess-Polarisationsokularen sind dem Instrument beigegeben 1a (passend für das Einschieben von Analysatorkeilen und ähnlichem im integrierten Wright-Okular), 2a, M, und 3 sowie ein Okular Ernst Leitz Wetzlar 3. |
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Zum Zubehör zählen ferner
ein Aufsatzanalysator, ein Grünfilter und zwei Stellschlüssel.
Auf dem Fuß ist das Mikroskop dem Benutzer zugewandt schlicht
signiert: Berlin-Steglitz No 4023 Außerdem sind die für den U-Tisch unter starken Neigungswinkeln erforderlichen Halbkugelsegmentpaare nach Adams für die Brechzahlen nD=1,515 und nD=1,7174 vorhanden. Die in den Tisch einzulegenden Linsen befinden sich in einer für Fueß typischen Pappschachtel mit der originalen Beschriftung in schwarzer Tusche: Untere Halbkugellinsen für Universaltisch u. Theodolit-Mikroskope. |
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Sämtliche Einzelteile, sowie der große Kasten und
die Schatulle für die Kleinteile tragen die eingeritzte bzw. aufgemalte
Inventarnummer Mi 12 bzw.
M 12. Leider fehlen die vor dem Analysator
unter 45° zum Hauptschnitt einschiebbaren Kompensatoren (der Schlitz
wurde in dieser Weise nach W. Nikitin angebracht) und die mit dem Okular
1a verwendbaren Schlitten für
Okularmikrometer o.ä. deren dortige Einbringung F.E.Wright vorgeschlagen
hat.
Das eigentlich besondere an diesem Instrument stellt allerdings der Tisch dar. Dieser ist als großer Universaldrehtisch konzipiert, wobei die Achse I durch das Stativ verläuft und mit Hilfe eines steuerradähnlichen Griffs, dem Speichenrad, betätigt wird. Schliffe des Gießener Vereins von 28 x 48 mm2 werden auf den Tisch geklemmt und dieser nach oben bzw. unten gedreht damit die Schliffläche genau in die Ebene der Achsen I und III gebracht werden kann. Die Hauptkreise I und II sind mit einem 5'-Nonius versehen, der Hilfskreis III und die Bogenstücke IV mit je einem Index in Grad. |
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Der russische Mineraloge Ewgraph Stepamowitsch von Fedorow wird am 10.12.1853 in Orenburg (Süd-Ural) als Sohn eines Ingenieur-Generals geboren und durchläuft der Familientradition folgend zuerst eine Offiziersausbildung. Nach einigen Semestern Studium an der Medizinischen Militärakademie in St.Petersburg muss v. Fedorow nach Ändernung der Studienordnung das Medizinstudium abbrechen. Er wechselt zum Technischen Institut über und ändert schließlich ein letztes Mal 1880 seine Studienrichtung um Mineralogie am Berginstitut Sankt Petersburg zu studieren. Er wird 1895 als Professor für Mineralogie und Geologie an die Landwirtschaftliche Hochschule zu Petrowsko-Rasumowskoje bei Moskau berufen; später kehrt er als Lehrstuhlinhaber an die Bergakademie St. Petersburg zurück. An den Folgen der großen Hungersnot in Petrograd stirbt von Fedorow am 28.05.1919.
E.S. Fedorow entwickelt in den 1890ern eine komplett neue Meßmethode
welche mehrkreisige Drehapparate fordert. Relativ zur kristallographischen
Richtung kann er damit die Lage der optischen Hauptrichtungen
nx, ny und nz bestimmen.
Bei genauerer Untersuchung stellt sich heraus, daß sich die Zusammensetzung
der Mischkristallreihen in der Optik und Kristallographie widerspiegelt und
mit Hilfe derer also eine chemische Bestimmung möglich wird.
Da einzelne Körner in Dünnschliffen mit dem U-Tisch relativ zueinander
bestimmt werden können, wird jener zu einem wichtigen Instrument in
der Gefügekunde. Problematisch bleibt jedoch lange, daß auf U-Tischen
als Zubehör nur runde Objektgläser mit Schliffen ohne Deckgläser
bis 20 mm Durchmesser untersucht werden können.
Um die gesamte Schlifffläche abtasten zu können, fallen solche Universaldrehtische sehr groß aus und können als Zubehör nur mit den größeren Forschungsinstrumenten verwendet werden; außer ein gut budgetiertes Universitätsinstitut kann es sich leisten und ein eigenes Mikroskop speziell für diese Zwecke von Fuess in Steglitz bei Berlin erwerben.
Gut erkennt man an diesem Mikroskop auch die zweifach abwinkelbaren Wright'schen Bügel, welche die Drehung um die neu eingeführte Achse H ablesen lassen - bei den frühen Universaltischen ist die Bestimmung dieses Winkels noch nicht möglich da diese Kreisbogensegmente fehlen.
Bis in die 1960er findet die oben beschriebene Technik Verwendung und wird dann von der nicht genauer arbeitenden Mikrosondenanalytik abgelöst.
Carl Leiss (1868-1940) sichert als Chefmechaniker bei Fuess die marktbeherrschende Rolle des Unternehmens im Bereich der kristallographischen Drehapparate - für seine Verdienste, insbesondere auch für die Konstruktion dieses Theodolit-Mikroskopes wird ihm 1924 von der Universität Marburg die Ehrendoktorwürde verliehen. Im Jahre 1921 macht sich Leiss selbständig und fertigt in Berlin die größeren Instrumente ausschließlich auf Bestellung. Bei einer Lieferzeit von sechs bis acht Wochen wird so von der 1924/25 erfolgten Neukonstruktion des Theodolitmikroskops nur alle zwei Jahre ein Instrument ausgeliefert.
In der Literatur der Zeit wird die Genauigkeit der Meßungen mit einem Universaldrehtisch hervorgehoben aber auch auf die verzwickte Handhabung verwiesen - so sind darüber hinaus in der Regel eigene Schliffe anzufertigen und auf besondere Glassorten aufzusetzen.
Die Anzahl der von Fuess hergestellten Theodolitmikroskope dürfte recht sicher sehr deutlich unter 100 Stück in summa liegen.
Heinrich Ludwig Rudolf Fuess (1838-1917) wird in Moringen geboren. Er geht 1853-57 beim Mechanicus Hermann Pfaff in Göttingen in die Lehre. In dieser Zeit besucht er an der dortigen Universität Vorlesungen zur Mathematik und hört Physik bei Wilhelm Eduard Weber (1804-1891) sowie Optik bei Johann Benedict Listing (1808-1882). Als Geselle arbeitet Fuess bei Hugo Schröder (1834-1902) in Hamburg und später beim Nivellierhersteller R. Löhmann in Berlin.
Am 01.04.1865 gründet Rudolf Fuess seine Firma mit Räumlichkeiten in der Mauerstraße 84 in Berlin-Mitte. Bereits in der Preisliste von 1865 werden drei verschiedene Mikroskopstative, drei Objektive und zwei Okulare (Vergrößerungen von 60- bis 300-fach linear) angeboten. Das junge Unternehmen zieht 1870 nach Kreuzberg in die Wasserthorstraße 46. Hier wird nach Angaben von Paul Groth (1843-1927) der erste "krystallographisch-optische Universalapparat" gebaut, dieser junge Mineraloge hatte an der Universität Berlin 1868 promoviert und sich dort 1870 habilitiert. Anfangs werden in der Fuess'schen Werkstatt in der Wasserthorstraße Gesteinsdünnschliffe von eingesandten Proben angefertigt. In Zusammenarbeit mit dem 1868 an die Berliner Universität berufenen Justus Roth (1818-1892) werden kurz darauf erste systematische Dünnschliffsammlungen angeboten. Die Firma wächst weiter und zieht bereits 1873 in die Alte-Jakobstraße 108. Im Jahre 1875 wird die Firma J.G. Greiner & Geißler von R. Fuess übernommen.
Ab Anfang der 1870er bezieht das Unternehmen die Optiken der Mikroskope von Eduard Hartnack. In der Fachwelt der Zeit wird dies positiv hervorgehoben, da sich Fuess so einzig auf die durchdachte mechanische Ausführung der Mikroskope konzentrieren kann. Die rasch wachsende Firma übersiedelt 1892 nach Berlin-Steglitz und wird für die aus der Firma hervorgehenden Polarisationsmikroskope weithin gelobt; erst 1927 werden Mikroskope für biomedizinische Zwecke in das Fertigungsprogramm aufgenommen.
Erst ab Ende der 1870er werden die Mikroskope der Firma durchgehend signiert und nummeriert. Im Jahre 1898 wird das Mikroskop mit der Seriennummer 700 verkauft. Bis 1920 werden insgesamt nur 4000 Polarisationsmikroskope von Fuess gebaut.
(Vermittlung des Instrumentes durch Prof.Dr. Moritz Sokolowski, Universität Bonn; viele der technischen Daten mit freundlicher und ungemein zuvorkommender Unterstützung von Dr. Olaf Medenbach, Ruhr-Universität Bochum)
[Referenz 29, 39, 43, 47, 58, 59, 63, 87, 93, 96, 102]
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