Großes Mikroskop für mineralogisch petrografische Untersuchungen nach Klein; Voigt & Hochgesang Göttingen um 1885. Das Instrument besteht aus lackiertem, geschwärztem und vernickeltem Messing, Neusilber, blankem und gebläutem Stahl. Das Stativ ist zum Umlegen eingerichtet, ein vierfach gelagerter Plan- und Konkavspiegel dient zur Beleuchtung des Objekts.
Der Kondensor mit Polarisator ist
über einen Trieb abfahrbar, er kann durch eine Schwalbenschwanzführung
zum Wechsel seitlich herausgezogen werden. Die Tischplatte aus Neusilber
zeigt eine Graduierung in halbe Winkelgrade, zwei Nonien können im Stil
der Goniometer mit je einer Lupe auf 1/30 abgelesen
werden - damit sind mit diesem Tisch Winkelmessungen auf eine Winkelminute
genau möglich. Dieser Tisch verfügt zudem über einen
einschaltbaren mechanischen Trieb zur Drehung, der direkt auf die Rändelung
der Platte wirkt. Der integrierte Kreuztisch erlaubt das Ablesen von Inkrementen
zu 10 Mikrometern.
Zur groben Einstellung dienen Zahn und Trieb sowie für den feinen Fokus ein Rändelrad welches auf einen Prismentrieb wirkt - diese Feinstellschraube von einem halben Millimeter Steigung verfügt über eine Skala mit 250 Teilen - es sind demnach Höhenmessungen von 2 Mikrometern möglich. Die ausschaltbare Bertrandlinse lässt sich über einen eigenen Trieb bewegen. Als Analysator steht sowohl ein Tubusanalyator als auch ein Aufsatzanalysator mit Schlitz für Verzögerungsplatten zur Verfügung; letzterer erlaubt das Ablesen von einzelnen Winkelgraden. Im aufwendig gearbeiteten, mit zwei Haken, Handgriff und Schloss versehenen Kasten wird das Mikroskop liegend untergebracht. |
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Auf der Tischplatte befindet sich die
dekorative Signatur: Göttingen |
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An optischer Ausstattung verfügt
das Instrument über die Okulare Nr.1
M, zwei
Nr.2,
Nr.3 und Nr.4
M, einem Stauroskopokular Nr.2 C
mit Kalkspathdoppelplatte (vorgestellt 1877 von Prof. Calderon, daher auch
Calderon'sche Doppelplatte genannt, und am Mikroskop eingeführt von
Fuess), einem Bertand'schen Okular Nr.2 B.
An Objektiven verfügt dieses Mikroskop über die
Hartnack'schen Objektive
Nr. 2, Nr.
4, Nr. 5,
Nr. 7, und Nr.
9. Diese Objektive werden in einer mit weißer Seide
gefütterten Holzschatuelle aufbewahrt, in der auch zwei weitere
Kondensorlinsen, ein Objektivgewindeadapter und ein Schlüssel für
das Gelenk des Mikroskops Platz finden.
Ähnlich des großen Mikroskops von Fuess aus dem Jahre 1879 ist dieses Instrument mit einem Objektivrevolver ausgestattet, welcher am Tubus direkt über zwei Schrauben zentriert werden kann. Drei Verzögerungsplättchen (Quarz, 1/4 Lambda Glimmer und Gips Rot I. Ordnung) in Messingfassung sowie ein Opakilluminator runden das Zubehör ab. Im Kasten liegend wird das Mikroskop untergebracht - leider fehlt wie bei fast allen Mikroskopen dieses Herstellers die Angabe einer Seriennummer. Das Mikroskop ist in seiner Ausstattung vollständig erhalten. |
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Beschrieben wird dieses Mikroskop 1884 von C. Klein (Optische Studien am Leucit. Nachrichten von der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg-Augusts-Universität zu Göttingen No. 11 (1884): 436-440) wie folgt: | |||||
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Auf einem schweren Hufeisenfuß erhebt sich das Instrument, dessen
Beleuchtungsspiegel, drehbarer Tisch und Mikroskopröhre, an einem vertikalen
Ständer befestigt und mit demselben zum Umlegen eingerichtet sind.
Das Mikroskop, welches nach dem
Princip gebaut ist, daß auf einem wohl centrirten drehbaren Tisch ein
Object durch Schlitten in den Mittelpunct des Drehung gebracht und durch
ein Mikroskop, das mit seinem Objectiv ebenfalls feinstens centrirt werden
kann, besehen wird, weicht in seiner Construction von den neueren Instrumenten
ab [
].
Diese Instrumente haben den Vortheil, daß, da Objectiv und Tisch sich zusammen bewegen, kein Centriren des ersteren nöthig wird. Bei dem neuen Instrumente ist dieß allerdings erforderlich, wird aber durch zwei am Ende des Tubus angebrachte, sehr solide gearbeitete Schraubenbewegungen in vollkommener, sicherer und rascher Weise bewerkstelligt, so daß der durch diese Mühe aufkommende Nachtheil gegen die sehr erheblichen Vortheile nicht in Betracht kommt. Diese letzteren bestehen darin. Daß man den Tubus geschlossen gebrauchen kann und seine inneren Theile nicht, wie bei der Nachet'schen Construction, verstauben, ferner, daß man ein in den Tubus einzuschiebendes [ ] Nicol immer wieder leicht entfernen kann. [ ] Ueber die einzelnen Theile des Mikroskops ist das Folgende zu bemerken. Der drehbare Tisch ist mit Theilung versehen, die vermöge eines Nonius Minuten ablesen läßt. Der Tisch kann in seiner Bewegung arretirt und durch ein Mikrometerwerk bewegt werden. Auf dem Tisch befindet sich eine Schlittenbewegung, welche die verschiedenen Theile eines Objects in den Mittelpunkt der Drehung zu bringen gestattet. |
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Die Schlittenbewegungen lassen sich an den mit Trommeln versehenen Köpfen der Schrauben messen; man kann direct 1/100 Mm. ablesen 1) und kleinere Werthe schätzen. Unabhängig von der Bewegung des Tisches ist in letzterem ein Nicol eingefügt, das durch Trieb orientirt auf- und ab gestellt werden kann. Auf demselben befindet sich eine Linse von passender Brennweite fest angebracht, und es können andere Linsensysteme zur Erzeugung stärker convergirenden Lichts aufgesetzt werden. Der Mikroskoptubus kann völlig geschlossen, durch Trieb auf- und abgestellt und mit einer Mikrometerschraube, die ihrerseits mit Theilung versehen ist, fein eingestellt werden (Steigung der Mikrometerschraube = 1/2 Mm., Eintheilung des Schraubenkopfes in 250 Theile: Werth eines Theilstrichs = 1/500 Mm.). Unter dem Tubus werden die Objective angeschraubt oder ein Revolver angebracht, an den die Objective kommen. Die Objective können vermittelst einer am Ende des Tubus angebrachten Vorrichtung durch zwei senkrecht zu einander wirkende Schrauben leicht und sicher centrirt werden. - Ueber das jeweils angeschraubte Objectiv können Quarzplatte, Viertelundulationsglimmerplatte, Gypsblättchen vom Roth I. Ordnung in passenden Fassungen (Schlitten, auf denen die Orientirung, wenn nöthig, angegeben ist) eingeschoben werden. |
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In der Mitte des Tubus ist eine
Triebvorrichtung angebracht, die nach außen in einen Knopf mündet.
Vermittelst desselben kann man im Innern des Tubus eine Vorrichtung orientiert
heben oder senken und in dieselbe sowohl ein Nicol mit geraden Endflächen,
als auch dieselbe Vorrichtung mit Bertrand'sche Linse oder einer Bertrand'sche
Linse allein einschieben. Die Bertrand'schen Linsen, von denen mehrere mit
verschiedenen Brennweiten vorhanden sind, ebenso das Nicol mit geraden
Endflächen befinden sich an den Enden von rechtwinkelig zu Planschlitten
stehenden Tuben angebracht. Nach Einschalten des Nicols oder der Betrand'schen
Linse kann eine am Tubus deßhalb angebrachte seitliche Oeffnung durch
ein Fenster dicht verschlossen werden. In der oberen Partie der Hauptröhre
gleitet, orientirt verstellbar, die Röhre, die das Ocular trägt.
Will man nicht mit eingeschobenem Nicol arbeiten, so wird auf das Ocular
ein Nicol aufgesetzt. Diese Methode empfiehlt sich bei Untersuchungen mit
den Gypsblättchen besonders deßhalb, weil ein über dem Objectiv
eingeschaltetes Blättchen keine so gute Wirkung hat, als wenn es zwischen
Nicol und Ocular auf letzteres gelegt wird.
1. Benutzung des Instrumentes als Mikroskop mit Polarisationsvorrichtung. Bestimmung des Charakters der Doppelbrechung. Untersuchung bei Anwendung empfindlicher Farbentöne. Als Polarisationsvorrichtungen dienen der verstellbare untere Nicol und ein in den Tubus einzuschiebendes Prisma mit geraden Endflächen, was vortrefflich gearbeitet und justirt ist, so daß ein sehr großes, reines und bei gekreuzten Nicols sehr dunkles Gesichtsfeld entsteht, oder ein auf das Ocular aufzusetzendes Prisma, welches denn beweglich ist, aber kein so großes Gesichtsfeld gewährt. An Linsen sind vorhanden: ein sehr schwaches System No. 0 von Winkel, die Systeme 1, 2, 4, 5, 7, 9 von Hartnack, das Trockensystem 10 von Winkel. Von Ocularen sind No. 1 und 4 mit Mikrometer, 2 und 3 mit Fadenkreuz dem Instrumente beigegeben. [ ] 2. Benutzung des Instrumentes als Apparat zur Darstellung des Axenaustritts in Dünschliffen. [ ] 3. Benutzung des Instrumentes als Stauroskop. (Mikrostauroskop.) [ ] Zu feineren Untersuchungen ist dann noch bei Anwendung eines gewöhnlichen Polarisators ein Calderon'sches Stauroskopocular vorhanden und ein Bertrand'sches mit der Doppelplatte. 1) Steighöhe der Schraube = 1/2 Mm, Theilung der Trommel in 50 Theile |
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In Voigt & Hochgesang: Preis-Verzeichniss über
krystallographisch-optische Instrumente von Voigt & Hochgesang (Inhaber
R. Brunnée) Göttingen (Göttingen 1889) wird dieses Mikroskop
angeboten als:
Mikroskope.
Nro. 1 A Mikroskop, grosses Modell, Fig. 1, nach den Angaben von
Herrn Prof. Klein*), für feinere mineralogisch-petrographische
Untersuchungen gefertigt. *) Vergl. Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. 1884. Nr. 11, p. 436 ff. Neues Jahrbuch für Minearalogie. Beilage-Band III, p. 540, 1885 Preise einiger Nebenapparate zu vorstehenden Instrumenten. Revolver (neuester Construction), leicht, staubdicht, mit drehbarer Mutter. für 4 Objective...30 Mark. |
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Damit beläuft sich der Preis für das hier gezeigte Mikroskop,
ohne den Opakilluminator auf 830 Mark.
Bereits in den 1880ern wird das Nochfolgeinstrument dieses Mikroskop mit nur einer Noniuslupe und etwas veränderter Tubusaufnahme angeboten. Mit der Abbildung aus der Preisliste von 1889 wird dieses Mikroskopstativ auch im Katalog der Weltausstellung in Chicago 1893 gezeigt. Hier heisst es (The World's Columbian Exposition Chicago 1893: German Exhibition. Group 21 / Special Catalogue of the Collective Exhibition of Scientific Instruments and Appliances exhibited by the Deutsche Gesellschaft für Mechanik und Optik Berlin. Julius Bahlke, Berlin 1893: 137): No. 2797.
Voigt & Hochgesang, Göttingen.
Makers of Crystallographic-Optical Instruments. 1. Microscope N. 1 A (Fig. 1) constructed according to suggestions of Prof. C. Klein 1) for advanced mineralogical and petrographic research. This instrument is fitted with the most recent and perfect apparatus for all possible measurements in parallel polarized and convergent light. The circle, which is made of a suitable alloy, is divided in half degrees. The verniers read to single minutes. The circle is surmounted by a, mechanical stage with scales and divided heads for reading and noting its position. The polarizer is so arranged that quick changes may be made from polarized to convergent light. 2) A second polarizer with very large Nicol prism and highly refracting set of lenses and an objective of numerical aperture 1.53 render the microscope available for measurement of minerals of very low refractive power. The Bertrand lens is fitted with rack and pinion. The optical equipment of the microscope consists of the objectives Nos. 0, 1, 2, 4, 5, 7, 9, oculars Nos. 1 and 4 with micrometer, Nos. 2 and 3 with cross lines, Bertrand's ocular, Calderon's ocular, screw micrometer ocular, Babinet's compensator ocular, one dark ground Nicol prism, one quartz wedge, selenite, quartz and 1/4 undulation mica-plate. The above described Microscope is exhibited in the exhibition of German Universities. 1) Vid. Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaft zu Göttingen 1884, No. 11, p. 434 etc. Neues Jahrbuch für Mineralogie, 1883, I. Heft 2. - Mikroscop. Physiogr. der petr. wichtig. Mineralien v. H. Rosenbusch 1887, I. p. 120; 1892. I. p. 126. 2) Zeitschrift für Instrumentenkunde. 1891. April. F.G. Voigt ist ab 1858 der erste Lehrling von Rudolf Winkel in Göttingen. Man erkennt an den Feintrieben der Instrumenten von Voigt & Hochgesang sehr deutlich den Einfluß dieses Mikroskopherstellers. Das hier gezeigte Mikroskop kann im September 2008 aus England für diese Sammlung erworben werden. [Bereitstellung der Katalogauszüge von Voigt & Hochgesang durch Alan deHaas, Los Angeles, CA, USA - ihm gebührt mein herzlicher Dank; Vergleiche: The Microscope Collection at the Science Museum London: "Klein Polariying Microscope by Voigt & Hochgesang", signiert "Voigt & Hochgesang / Göttingen", Inventory No. 1886-50, gekauft 1886 vom Hersteller] |
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