F. W. Schieck: Labormikroskop


Mikroskop Schieck in Berlin Nr. 46831 Mikroskop Schieck in Berlin Nr. 46831 Mikroskop Schieck in Berlin Nr. 46831 Mikroskop Schieck in Berlin Nr. 46831

Mikroskop F.W. Schieck Nr. 46831

Schieck  Labormikroskop; 1904 im Kasten. Das Mikroskop verfügt über ein grün-golden lackiertes Eisengußstativ, die übrigen Teile bestehen aus vernickeltem und zaponiertem Messing sowie gebläutem Stahl. Die Grobeinstellung erfolgt über Zahn und Trieb, die Feineinstellung durch seitliches Verkippen des Tisches mit Hartgummi-Auflage. Der Tubus ist ausziehbar ausgeführt, am unteren Ende wird ein dreifacher Objektivrevolver angeschraubt. Die Beleuchtung erfolgt über einen dreifach gelagerten Plan- und Konkavspiegel, zur Einstellung der Apertur dient eine Revolerlochblende.

Objektiv von Mikroskop F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831 Objektiv von Mikroskop F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831 Objektiv von Mikroskop F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831

An optischer Ausstattung verfügt das Mikroskop über die Okulare Nr. 0 und Nr. 2 beziehungsweise in separater Schatulle über die Objektive Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 8 (Ölimmersion) sowie zwei Einsätze für die Tischöffnung in Form einer Zylinderlochblende sowie einen Kondensorlinseneinsatz mit 13 mm Linsendurchmesser für Immersionsmikroskopie. Diese Schatulle trägt im Innern die passende Seriennummer zum Kasten 46831.
Seriennummer des Mikroskops F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831Kondensor des Mikroskops F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831Im Kastendeckel ist der Name des Herstellers als Stempelabdruck angebracht: F.W. Schieck, Optisches Institut, Berlin SW. 46. In das Holz des Kastens ist die Seriennummer Nr. 46831 eingeprägt.

Nach Mikroskopion 29 (Wild Heerbrugg Ltd, 1976) handelt es sich bei dem hier gezeigten Schieck-Objektiv 1 um ein 5x/0.13 und beim Schieck-Objektiv 4 um ein 14x/0.40.

Bei dem ersten Besitzer dieses Mikroskops handelt es sich um Johannes Jädicke der am Lessing-Gymnasium in Berlin Michaelis 1902 die Reifeprüfung ablegt und danach an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin Mathematik und Naturwissenschaften studiert. Objektive des Mikroskops F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831Okulare des Mikroskops F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831Im März 1908 besteht er die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen. Ostern 1910 wird er als Oberlehrer an der Goetheschule in Deutsch-Wilmersdorf angestellt. Höchstwahrscheinlich erwirbt Jädicke das Instrument während seines Studiums direkt vom Hersteller. In den 1930ern schenkt Studienrat Jädicke dieses Mikroskop seinem Freund Dr.med. H.

H. verwendet es während seiner Zeit als Assistent von Dr. Bühler am Kaiser-Wilhelm-Institut, Berlin bis Mitte 1942. Daraufhin reist das Mikroskop mit ihm auf die Krim, von wo aus er bis Mai 1944 als Unterfeldarzt tätig ist  - aus jener Zeit stammt auch der im Kasten des Mikroskops erhaltene Äskulap, das Krim-Schild und seine Erkennungsmarke. Im Mai 2000 kann dieses Instrument vom Enkel jenes Arztes für die Sammlung erworben werden; nach seinem Willen wird der volle Name des ursprünglichen Besitzers nicht veröffentlicht.

Friedrich Wilhelm Schiek wird 1790 als Sohn eines Chirurgen in Herbsleben, Thüringen geboren. Sein Vater wechselt den Beruf und zieht mit der Familie nach Frauensee. Im nahegelegenen Schloß Philippsthal des Prinzen Ernst Constantin zu Hessen-Philippsthal entsteht kurz vor 1800 eine mechanische Werkstatt. Als Nachfolger des Hofmechanicus Heinrich Carl Wilhelm Breithaupt wird 1800 Ludwig Wisskemann als erster Hofopticus und Mechanicus ernannt; bei ihm geht der junge Schiek von 1808 bis 1811 in die Lehre. In Schieks Lehrbrief wird sein Fleiß und gute Benehmen besonders hervorgehoben.

Mikroskop Schieck in Berlin Nr. 46831Anzeige von F.W.Schieck in "Trichinenschauer"; A.Johne; 9.Auflage; Verlagsbuchhandlung Paul Parey; Berlin; 1904: 192Mit solch guten Referenzen wird Schiek als Mitarbeiter bei Pistor in Berlin aufgenommen. Carl Philipp Heinrich Pistor (1778-1847) hat bereits 1810 einfache physikalische Geräte angeboten und spätestens 1813 eine eigene Werkstätte gegründet, in der neben astronomischen und geodätischen Instrumente auch Mikroskope gefertigt werden. Letztere sind nach dem Vorbild der englischen Geräte gebaut, z.B. nach Jones, Ellis, Adams etc.

Zu erwähnen ist hier, daß auch Reichenbach in England nach technischem Know-How suchte (u.a. bei Tulley und Hunt) und so fast alle kleinen und mittleren Fraunhoferschen Mikroskope den englische (Stangen-)Stativen ähnlich sind.

Das älteste bekannte Stück mit der Signatur "Pistor & Schiek" ist der Preußische Ur-Maßstab von 1816. Als Gründungsjahr der Firma Schiek wird schließlich 1819 angegeben, vier Jahre vor Plössl (mit dessen Stil die Mikroskope Schieks häufig verglichen werden). Das optisch-mechanische Institut bezeichnet sich später selbst in Anzeigen als älteste Mikroskopfabrik Deutschlands.

Möglicherweise ist Schiek bis zum Jahr 1824 als Zulieferer für Pistor tätig. Danach wird er Teilhaber, die Firma nennt sich Pistor & Schiek. Aus dem Jahre 1829 liegt in Astronomische Nachrichten Bd. 7 eine ausführliche Preisliste vor.

Sehr wahrscheinlich ist Schiek neben dem kreativen Theoretiker Pistor der mechanische Künstler in der Werkstatt. Man spricht in der Literatur der Zeit lobend von den Schiek'schen Mikroskopen, was den Schluß nahelegt, dass Schiek sich schon früh allein um die Mikroskopherstellung bei "Pistor & Schiek" kümmert. Gegen Ende des Jahres 1836 trennt sich Schieck schließlich von Pistor.

Stempel im Kasten des Mikroskops F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831In Dorotheenstraße 31g baut Schiek ab 1837 in eigener Werkstatt Mikroskope. Schon bald siedelt Schiek in die Marienstraße 1a in größere Räume um. Bei der Berliner Gewerbeausstellun von 1844 wird Schiek eine goldene Medaille für den Bau seiner Mikroskope verliehen. Man stellt die Leistung der Instrumente aus Schieks Werkstatt mit jenen von Georges Oberhaeuser Paris und Simon Plössl Wien gleich. Besonders erwähnt wird bei allen drei, dass keine überzogenen Preise für die Mikroskope verlangt werden würden. Die mittleren Stative aller drei Firmen belaufen sich dabei um 1850 auf gut 100 Thaler - das entspricht dem halben Jahrslohn eines gut bezahlten Mechanikers.

Bis Mitte der 1850er verwenden Schiek und Plössl starke Okulare und schwache Objektive - im Gegensatz zu Oberhaeuser und Amici welche die Vorteile höherer Auflösung bei umgekehrtem Verhältnis bereits erkannt haben. Zudem werden Mikroskope von Oberhaeuser und Hartnack seit Beginn mit festen System ausgeliefert, während Schiek noch bis 1860 zusammensetzbare Objektive baut.

Äskulap vom Schulterstück des Arztes der Wehrmacht Dr. med. H., welcher das hier gezeigte Mikroskop im Zweiten Weltkrieg einsetzte Krimschild von Dr.med. H. Erkennungsmarke von Dr.med. H.Der "Rothe Adler Orden 4. Klasse" wird Schiek 1858 vom preußischen König für seine Verdienste im Mikroskopbau verliehen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben 954 Mikroskope die Werkstatt verlassen. Von 1837 bis 1864 werden insgesamt 1340 Instrumente ausgeliefert.

Die Werkstatt zieht 1864 in die Halleschestraße 15 und zwischen 1868 und 1870 weiter ins Nachbarhaus Nr. 14, Rudolf Virchow (Darstellung der Lehre von den Trichinen, mit Rücksicht auf die dadurch gebotenen Vorsichtsmaßregeln. Verlag von Georg Reimer; Berlin 1864: 49) empfiehlt in jenem Jahr die einfachen Mikroskope von Schiek für die Trichinenschau und gibt in seinem Werk noch die alte Anschrift des berühmten Optikers Schiek in Berlin an.

Mikroskop F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831 im KastenIn den Jahren 1860 bis 1864 bildet Schiek seinen Sohn Friedrich Wilhelm Hermann Schieck [sic!] aus, der die Werkstatt schließlich 1865 übernimmt. F.W. Schieck spezialisiert sich auf die Weiterentwicklung handlicher und zugleich leistungsstarker Trichinen- und Reisemikroskope. Sein Vater stirbt 1870.

In Anzeigen um die Jahrhundertwende wirbt die Firma F.W.Schieck mit ihrer bisher ausgelieferten bzw. produzierten Gesamtzahl an Mikroskopen: 1902 waren es über 36000, 1903 bereits über 41000 und 1904 schon über 45000 Instrumente.

Zu beachten ist hier jedoch, daß in dieser Zeit wohl vorwiegend Trichinenmikroskope hergestellte werden, welche insbesondere in Preussen zum Einsatz kommen.

Das hier gezeigte Mikroskop wird auf Grund des grün lackierten Hufeisenstativs und des vernickelten Tubuses Anfang 2010 vom zuständigen Grafiker ausgewählt das deutsche Sonderpostwertzeichen 100 Jahre Friedrich-Loeffler-Institut zu schmücken, da es sich ästhetisch in das Farbkonzept der Briefmarke sehr gut einpasse.

Dieses auf der Briefmarke gezeigte Instrument steht mit dem hier ausführlich diskutierten geschichtlichen Hintergrund in keinem historischern Zusammenhang zum Mitbegründer der Virologie, Friedrich August Johannes Loeffler (1852-1915).

Sonderpostwertzeichen "100 Jahre Friedrich Loeffler Institut", 07.10.2010. Abb.: Deutsche Post AG. Diese Briefmarke wurde von der Deutschen Post AG im Auftrage des BMF verausgabt und ist nach § 5 Abs. 1 UrhG ein amtliches Werk. Nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz ist sie somit gemeinfrei. Mikroskop F.W. Schieck in Berlin Nr. 46831 Tatsächlich lässt sich Loeffler bei der Arbeit im Labor dagegen mit einem frühen binokluaren Mikroskop von Ernst Leitz Wetzlar und einem klassischen monokularen Mikroskop von Carl Zeiss Jena fotografieren. Das auf der erwähnten Briefmarke gezeigte Schweinegrippevirus wird 1930, das ebenfalls gezeigte Influenza-Virus erst 1933 isoliert - auch diese weiteren Grafikelemente der Sondermarke sind damit leider nur symbolisch mit Loeffler in Verbindung zu bringen. Loeffler gelingt es mit dem Erreger der Maul- und Klauenseuche 1898 erstmals einen Virus des Tierreichs zu beschreiben, einige Jahre später gründet er 1910 das weltweit erste virologische Forschungsinstitut.

[Vergleiche: Deutsches Technikmuseum, Berlin: "Mikroskop von Schieck"; Details zu den Objektiven vergleiche HMSC Bulletin 12/47: 85 (2001)]



28.02.2010 by Timo Mappes

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