Hartnack Mikroskop; Stativ IX von 1861; zaponiertes und geschwärztes Vollmessing mit Hufeisenstativ (1848 eingeführt von Georges Oberhäuser). Das Mikroskop trägt im Kasten eingebrannt die Seriennummer 3879. Zur groben Einstellung dient eine Schiebehülse, der Feinfokus wird über das Rändelrad an der Säule bewerkstelligt. Die Beleuchtung erfolgt über einen dreifach gelagerten Plan- und Konkavspiegel, die Zylinderlochblende wird in einer Halterung mit Schwalbenschwanzführung fixiert.
Ausgestattet ist das Instrument mit den Objektiven Nr.4, Nr.7 und Nr.8 sowie einem nicht nummerierten, zusammen mit drei Lochblendeneinsätzen werden diese in einer Schatulle untergebracht, welche ebenfalls die Nr.3879 eingebrannt zeigt. Ferner verfügt das Mikroskop über ein Okulare Nr.3. Außerdem ist dieses Mikroskop mit einer sehr seltenen Polarisationseinrichtung versehen - in die Aufnahme der Zylinderlochblende kann als Polarisator eine Fassung mit Nicol-Prisma eingeführt werden. Der Tubusanalysator direkt nach dem Objektiv kann durch ein kleines seitliches Rändelrad über einen Winkelbereich von ca. 120° gedreht werden. Es handelt sich bei diesem Polarisationsapparat um den Nachfolger des schon unter Oberhaeuser angebotenen Nebenapparats.
Bereits im letzten Drittel der 1860er wirkt bei diesem Stativ (nun bezeichnet als Stativ VIII) der Feintrieb mit neuer Form der Rändelschraube auf eine Prismenstange. Bei dem hier gezeigten Instrument jedoch findet man noch die alte Form der Feineinstellung nach Oberhäuser über eine Zylinderstange.
Im mit Seide gepolsterten Mahagonikasten wird das Instrument liegend aufbewahrt.
Auf der Unterseite des Hufeisenstativs befindet sich noch das Leder zur
gegenseitigen Schonung von Instrument und Tischplatte.
Am Auszugstubus prangt die mehrzeilige Signatur:
sucr. de G. Oberhaeuser Place Dauphine 21. Paris. Hier handelt es sich um ursprüngliche Form des "kleinen Hufeisenstativs", wie es noch 50 Jahre später fast unverändert angeboten wird. Angeboten wird das hier vorgestellte Stativ im "Preis-Verzeichnis der achromatischen Mikroskope von E. Hartnack, Nachfolger von G. Oberhaeuser in Paris / Place Dauphine, 21" von 1861 als Position 9 wie folgt:
8. Neues grosses (Hufeisen-) Mikroskop, abweichend von dem früheren
Oberhäuser'schen grossen Gestelle. Besteht aus 4 Linsensystemen
und 5 Okularen, wovon eins den Mikrometer enthält (und gestattet mit
seinen Vergrösserungen alle wissenschaftlichen Arbeiten vorzunehmen).
Hinzu kommen: eine grosse Beleuchtungslinse für opake Gegenstände,
das sonstige nothwendige Zubehör, ein Lichtschirm mit gefärbten
Glasplatten ; Mahagonikasten ... 650 Francs.
9. Neues kleineres (Hufeisen-) Mikroskop mit der gleichen
Einrichtung wie No. 8, aber ohne den drehbaren Objekttisch, enthaltend 3
Linsensysteme und 3 Okulare, Vergrösserungen von 50-600 ... 250
Francs. [...] Polarisationsapparate (für Mikroskope ab No.4 an verwendbar).....50-70 Francs |
Edmund Hartnack wird am 9. April 1826 zu Templin in der Uckermark geboren
und lernt 1842 - 1847 in Berlin das Mechanikerhandwerk bei Wilhelm Hirschmann
senior (1777 - 1847), welcher seinerseits mit
Schiek und Pistor zusammengearbeitet hat.
1847 kommt Hartnack zu Heinrich Daniel Rühmkorff (1803-1877) nach Paris
und geht später zu
Oberhäuser. Dieser nimmt ihn 1854
als Teilhaber auf. Hartnack heiratet Johanna Maria Louise Kleinod, die Nichte
Oberhäusers und übernimmt das Geschäft 1864, aus welchem sich
sein früherer Chef mehr und mehr zurückgezogen
hat.
Im Jahr 1864 tritt der aus Polen geflüchtete Professor Adam Prazmowski (1821 1888) dem Unternehmen bei. 1863 ist der frühere Assistent der Warschauer Sternwarte und Teilnehmer diverser Expeditionen zur Beobachtung von Sonnenfinsternissen und zur Gradmessung aus politischen Gründen nach Paris gegangen. Zusammen mit Hartnack verbessert Prazmowski 1866 das Nicol'sche Prisma. 1878 schließlich wird Prazmowski Eigentümer der Werkstätte in der französichen Hauptstadt; nach seinem Tode 1885 übernehmen seine Meister Bézu & Hausser die Werkstätte und verkaufen diese 1896 schließlich an Alfred Nachet. Hartnack muss auf Grund des deutsch-französischen Krieges 1870 Frankreich verlassen und wirkt fortan in Potsdam weiter, wo er am 9. Februar 1891 stirbt. Hartnack wird bekannt für die hohe Qualität seiner Objektive, u.a. führt er die Wasserimmersion No. 11 im Jahre 1859 ein und ist damit kurze Zeit führend im Auflösungsvermögen, mit einer numerischen Apertur von 1,05. Er hat stets ein offenes Ohr für die mit seinen Mikroskopen arbeitenden Forscher. Auf der Weltausstellung 1862 in London gewinnt Hartnack eine Medaille für die allgemeine Qualität seiner Mikroskope von denen es heißt: "Sie gleichen im Wesentlichen dem Oberhäuserschen Modell, bei der der Mikroskopkörper auf einer hohlen, zylindrischen Basis steht, deren Oberseite als Objekttisch fungiert." Die Hartnack'schen Objektive hält man im London jener Zeit zweifelsohne für die besten aus nicht-englischer Fertigung. Hartnack verwendet ferner Wasserimmersion bevor diese Technik auf den britischen Inseln Einzug hält. Wegen seiner Verdienste um die Medizin durch Bau und Vertrieb seiner Mikroskope wird er 1868 zum Ehrendoktor der medizinischen Fakultät Bonn ernannt; die preußische Regierung verleiht ihm 1882 den Professorentitel. [Vergleiche Referenz 1, 2, 25, 47, 48, 56, 75, 84, 85, 97 und für spätere Mikroskope dieses Typs: Science Museum, London: Inventory A 43388; Optisches Museum der Ernst-Abbe-Stiftung Jena: "Mikroskop mit Hufeisenstativ / E.Hartnack & G. Oberhaeuser [sic!]/ Paris um 1860" signiert "E. Hartnack / sucr. de G. Oberhaeuser / Place Dauphine 21 / Paris"; Deutsches Techikmuseum Berlin: "Mikroskop um 1875 / Hartnack, Paris und Potsdam / Leihgabe Herr Weil, Berlin", signiert "Hartnack & Co. Paris & Potsdam"; Museo per la Storia dell'Università di Pavia, Italien: "Microscopio, 'E.Hartnack & A.Prazmowski', 1880 circa"; Museum Boerhaave, NL: "Compound microscope with box; Hartnack & A. Prazmowski, E.; Parijs", Inventory number V07154]
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