Mikroskop R.Winkel


Mikroskop: R.Winkel Göttingen # 163 Mikroskop: R.Winkel Göttingen # 163 Mikroskop: R.Winkel Göttingen # 163

Mikroskop: R.Winkel Göttingen # 163
Signatur Winkel # 163Frühes Mikoskop von Winkel; Stativ 5b um 1875; zaponiertes und geschwärztes bzw. schwarz lackiertes Messing, gebläuter Stahl. Einfaches Stativ mit Auszugstubus und groben Fokus durch Schiebetubus, Feineinstellung mittels Rändelschraube auf der für diesen Hersteller typischen prismatischen Säule. Das Mikroskop verfügt über einen dreh- und schwenkbaren Plan- und Konkavspiegel sowie über eine einfache Zylinderblende in aus der optischen Achse schwenkbarer Halterung.

Auf dem oberen Tubusstück sehr dekorativ signiert (die Zaponierung ist hier restlos durch die Benutzung abgegriffen - unsinnigerweise hatte Winkel bei seinen frühen Instrumenten an einer Stelle signiert, die aus bedienungtechnischen Gründen stets Fingerschweiß ausgesetzt sein mußte):

R.Winkel in Göttingen
No 163

Mikroskop: R.Winkel Göttingen # 163An verschiedenen Stellen sind am Mikroskop deutliche Gebrauchsspuren zu erkennen. Der zugehörige Kasten scheint mit seinem Griff und der Schlüssellochblende zwar von außen noch sehr schön zu sein, im Innern ist die Einteilung für die Fixierung des Mikroskopes, des Objektives und der Okulare zwar vorhanden, alle weiteren Einteilungen fehlen jedoch leider. Trotzdem handelt es sich um ein sehr frühes und damit erhaltenswertes Mikroskop aus der Winkel'schen Werkstatt.

Die Konstruktion dieses Instrumentes stammt aus den Anfängen der Winkel'schen Mikroskopproduktion. Das Mikroskop wird in der Preisliste von 1873 geführt als:

No. 5 Eine auf hufeisenförmigem Fuss befestigte Säule trägt den viereckigen 76 mm breiten Tisch, unter welchem statt des Schlittenauszugs für die Zylinderblende ein mit federnder Verschiebungshülse versehener Arm mittelst Stahlschraube derartig befestigt ist, dass der Hals der letzteren als Drehaxe dient, und somit der ganze Blendapparat beim Blendenwechsel oder bei Anwendung schrägen Lichts bequem zur Seite gedreht werden kann, ohne dass seine Verbindung mit dem Stativ aufgehoben wird. Grobe Einstellung mittelst Tubusverschiebung; feine durch Mikrometerschraube an prismat. Säule ... 25 Thlr.

NB: Die Kasten werden besondert berechnet mit 2 Thlr. 10 Sgr. bis 5 Thaler
Bei sämmtlichen
[sic!] Stativen bis Nr. 6 inkl. ist der Spiegel für schräges Licht seitlich verstellbar

Auch noch in der Preisliste von 1884 erscheint dieses Stativ (Referenz 25, S. 476-479):

Mikroskop: R.Winkel Göttingen # 163Mikroskop: R.Winkel Göttingen # 163 BlendeNo. 5b. Etwas kleiner als No. 5a. Objekttisch 78 Mm. breit. Zylinderblendapparat (konstruiert 1869) an drehbarem Arm, welcher zur Vornahme des Blendenwechsels, oder bei Anwendung von schrägem Licht bequem zur Seie gedreht werden kann, und dessen zentrische Rückstellung durch Anschlag bezeichnet wird. Grobe Tubuseinstellung durch freie Verschiebung, feine durch die am Obertheil der prismatischen Säule befindlichen Mikrometerschraube .... 60 Mark

NB. Das am Objektivende der Tuben befindliche Verschraubungsstück ist mit dem englischen Vereinsgewinde eingeschraubt und kann gelöst werden, um Objektive mit dem selben Gewinde anzusetzen. Bei allen Stativen von No.1 bis No.5b hat der Bewegungsapparat für die feine Tubuseinstellung seine Führung an prismatischer Säule. Einrichtung und sorgfältige Ausführung dieses wichtigen Instrumententheils gestattet bei sehr leicht gehendem Schraubengang sichere Einstellung.

Dieses Mikroskop stammt aus dem Nachlaß des prakt. Arztes Dr.med. Albert Lieben, dieser hatte das Instrument von seinem Patenonkel Otto Lieben erhalten, welcher seinerseits in Göttingen um 1900 Lehrer gewesen war. Leider scheint letzterer in seiner Zeit "neue" Optiken angebracht zu haben - deshalb sind die beiden Objektive R.Winkel Göttingen Fluorit-System 3 mm Apert. 0.90 und R.Winkel Göttingen 3a sowie das Okular R.Winkel Göttingen Compens.-Ocular 5 zwar von R.Winkel produziert worden, jedoch fast 30 Jahre jünger als das Mikroskop selbst.

Rudolf Winkel; aus Referenz 32

Der am 4. September 1827 als Sohn eines Lehrers in Göttingen geborene Rudolf Winkel wird durch den frühen Tod seines Vaters gezwungen den Besuch des Gymnasiums frühzeitig abzubrechen.

Winkel lernt bei der Hamburger Firma Lipperts Maschinenbauer und erweitert seine handwerklichen Fähigkeiten bei der Eggerstorffschen Maschinenfabrik Hannover. Auf eine Beschäftigung beim Bau feinmechanischer Instrumente im Betrieb von F.W. Breithaupt & Söhne Kassel folgen für Rudolf Winkel mehrjährige Aufenthalte in verschiedenen Werkstätten Thüringens, Böhmens und Österreichs.

Schließlich kehrt Winkel um 1855 nach Göttingen zurück und baut in der Werkstatt von Moritz Meyerstein feinmechanische Instrumente für die Göttinger Universität, er heiratet noch im selben Jahr. 1857 mietet Winkel in der Goethe-Allee Göttingen Räume an, um dort feinmechanische Arbeiten für Breithaupt und die Universität auszuführen.

Der erste Lehrling Winkels wird 1858 F.G. Voigt, der spätere Inhaber von Voigt & Hochgesang.

Als Folge des Krieges 1866 gerät das noch junge Unternehmen in Schwierigkeiten, da die Verbindung nach Kassel abreißt und damit ein wichtiger Kunde verloren geht. Doch eine Trichinose-Epidemie in Süd-Hannover läßt die Nachfrage nach einfachen Mikroskopen durch Rudolf Virchows Publikation 1864 zur mikroskopischen Fleischbeschau sprunghaft steigen und so verläßt im Jahre 1866 das erste Trichinenmikroskop die Winkel'sche Werkstatt.

Winkels Werkstatt: Düstere Eichenweg 9; aus: Referenz 321870 kommen aus Göttingen die ersten größeren Mikroskope, sie werden von Prof. Listing begutachtet - er vergleicht sie mit den damals sehr renomierten englischen Instrumenten und bescheinigt Winkel eine bessere Qualität seiner Instrumente als jene der Britischen Inseln. Bemerkenswert scheint dies insbesondere vor dem Hintergrund Winkels, der als Autodidakt sogar die von ihm verwendeten Maschinen zur Fertigung der Mikroskope selbst konstruiert und sämtliche Optiken zu dieser Zeit noch "pröbelnd" optimiert.

Unterschrift von Rudolf Winkel; aus Referenz 32Die Winkel'sche Werkstatt zieht 1874 in eigene Räumen: Düstere Eichenweg 9, Ecke Baurat Gerber-Straße in Göttingen - 1872 war der älteste der drei Söhne Winkels als Lehrling in den Berieb eingetreten.

Es wird Rudolf Winkel nachgesagt, er habe jedes Instrument seiner Werkstätte selbst überprüft und ein Mikroskop der geringfügigsten Unebenheit wegen mit dem Hammer zerschlagen, ohne die Möglichkeit zur Behebung des Fehlers nur in Betracht zu ziehen.

Über die weitere interessante Geschichte von "R.Winkel Göttingen", siehe die Diskussionen späterer Instrumente der Firma auf diesen Seiten!

(Referenz 2, 25, 32, 44, 98)



20.01.2002 by Timo Mappes

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