Franz Schmidt & Haensch: Kleines Mikroskop


Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220 Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220 Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220 Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220

Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220

Kleines Mikroskop von Franz Schmidt & Haensch; Stativ No. 2 nach Schiek, um 1870 im Kasten. Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing und gebläutem Stahl. Der Plan- und Konkavspiegel ist dreifach gelagert, zur Abblendung dient eine Revolverlochblendenscheibe. Die grobe Einstellung wird über einen Schiebetubus ermöglicht, der Feinfokus über ein Kippen des Tisches durch ein Rändelrad im Stile des kleinen Mikroskopstativs von Schiek.

Die beiden Okulare Nr. 1 und Nr. 2 sind im Stile von Schiek nummeriert. An weiterer optischer Ausstattung dieses einfachen kleinen Mikroskops findet man ein dreiteiliges Satzobjektiv mit den Schlagzahlen 1, 2 und 3 sowie ein Objektiv Nr. 4.

Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220: SignaturDie Signatur des Instrumentes befindet sich auf dem Fuß dem Benutzer abgewandt. Hier liest man in dekorativer Schrift:

Berlin

Franz Schmidt & Haensch

No 220

Liegend wird das Mikroskop im Mahagoni-Kasten untergebracht.

Franz Schmidt (1825-1888) und Hermann Haensch (1829-1896) gehen beide bei W. Langhoff in die Mechanikerlehre. Während Franz Schmidt nach seiner Lehrzeit bei Pawlowski in Berlin vor allem Polarisationsinstrumente baut und nach dem Tod des Werkstattinhabers dessen kleinen Betrieb 1859 übernimmt, begibt sich Hermann Haensch auf Gesellenwanderschaft. Er arbeitet unter anderem für Hofmann in Paris und Ross & Co in London. Zurück in Berlin gründet Haensch eine kleine Werkstatt und baut dort ab1861 Mikroskope. Nach Vorgaben von Rudolf Virchow konstruiert Hermann Haensch 1864 ein Trichinenmikroskop. Entsprechend schreibt der Berliner Mediziner in seiner berühmt gewordenen Schrift zur Trichinosis (Rudolf Virchow: Darstellung der Lehre von den Trichinen, mit Rücksicht auf die dadurch gebotenen Vorsichtsmaßregeln. G. Reimer; Berlin 1864: 48-49) über die für die Trichinenschau zu verwendenden Mikroskope:

Wenn zu diesem Zwecke die besten Instrumente, wie immer, vorzuziehen sind, so sind diese doch nicht gerade nothwendig. Im Gegentheil genügen dazMikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220: Signaturu schon Mikroskope mit mäßigen Vergrößerungen, wobei ich jedoch darauf aufmerksam mache, daß schlechte Mikroskope, welche eine starke Vergrößerung prätendiren, in der Regel weniger brauchbar sind, als gute Instrumente mit sehr mäßiger Vergrößerung.
Auf meine Veranlassung hat der Optiker Hänsch in Berlin (Karlsstraße 8) kleine Mikroskope eigens zu diesem Zweck eingerichtet. Dieselben geben eine 100 bis 180fache Vergrößerung und kosten nur 10 bis 12 Thlr.

[...]
Ebenfalls sehr empfehlenswerth sind die einfachen Mikroskope (Simplex) des berühmten Optikers Schiek in Berlin (Marienstraße 1), welche nicht so starke Vergrößerung liefern, aber um so genauer gearbeitet sind. Sie kosten 20 Thlr.
[...]
Für größere Ansprüche sind die gebräuchlichen Mikroskope zu 40-50 Thlr., wie sie Hänsch, Schiek, Wappenhans u.A. in Berlin, Belthle in Wetzlar, Hartnack in Paris u.A. liefern, zu empfehlen.

Im selben Jahr erbt Franz Schmidt von seinem Vater 8000 Thaler und gründet daraufhin mit Hermann Haensch am 24. April 1864 in der Dragonerstrasse 19 eine Werkstätte mit zehn Gehilfen. Schmidt ist verantwortlich für den Bau von Saccharimetern und ähnlichen Polarisationsinstrumenten während Haensch seine Produktpalette von Mikroskopen und Spektroskopen weiterführt.

Der gute Ruf der Qualität der Polarimeter aus jener Werkstatt sorgt im Laufe der Jahre für eine nahezu monopolartige Stellung der Firma auf diesem Gebiet. Da beim Bau von Saccharimetern und Spektroskopen aller Art kein vergleichbarer Konkurrenzdruck wie beim Bau von Mikroskopen besteht, verschiebt sich die Ausrichtung der Produkte der Firma immer weiter vom Mikroskopbau weg. Obwohl eine besondere Art des Trichinenmikroskops zur mechanisch gekoppelten, systematischen Absuche der Kompressorien entwickelt wird und auch Spezialmikroskope für die Wissenschaft gebaut werden, tauchen so 1893 keine Mikroskope mehr aus der Werkstätte von Franz Schmidt & Haensch auf.

Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220: Objektiv Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220: Objektiv Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220: OkularePieter Harting (Pieter Harting: Das Mikroskop. Theorie, Gebrauch, Geschichte und gegenwärtiger Zustand desselben. Deutsche Originalausgabe, vom Verfasser revidirt und vervollständigt; herausgeben von Dr. Fr. Wilh. Theile; in drei Bänden; zweite wesentlich verbesserte und vermehrte Auflage; Verlag Friedrich Vieweg und Sohn; Braunschweig 1866: III, 193-194) schreibt zu den Mikroskopen aus dieser Werkstatt:

Seit 5 Jahren kommen noch aus einer anderen Berliner Werkstätte Mikroskope, nämlich von Franz Schmidt und Haensch (Dragonerstrasse 19).

[...]
Ihr Gestelle, in sechserlei Grössen, scheinen nach den Abbildungen im Preiscourante eine zweckmässige Construction, jedoch ohne neue Einrichtungen zu haben; es sind grösstentheils Copien von Oberhäuser'schen und Nachet'schen Gestellen.

Harting diskutiert ein mittleres Stativ des Herstellers und bewertet im weiteren die Optiken wie folgt: Sollten die stärksten Objective Nr. 8 und 9 verhältnismässig eben so tüchtig sein, so würden die Mikroskope von Schmidt und Haensch zu den besten jetzt in Deutschland gelieferten gehören.

Kleines Mikroskopstativ von Franz Schmidt und Haensch Berlin; Abb. aus: Hermann Hager: Das Mikroskop und seine Anwendung; sechste durchgesehene und vermehrte Auflage; Verlag von Julius Springer; Berlin 1879: p. 38, Fig. 33Die Preise der Objektive werden angegeben zu: Nr.1 ...4 Thaler; Nr. 1 + 2 .... 6 Thaler; Nr. 1 + 2 + 3 ...8 Thaler und Nr. 4...10 Thalern.

Das hier gezeigte Mikroskop erscheint im Preisverzeichnis von 1865 als Mikroskop No. 2 wie folgt (Carl Nägeli, S. Schwendener: Das Mikroskop / Theorie und Anwendung desselben. Wilhem Engelmann; Leipzig 1867: 648-649)

Franz Schmidt & Haensch in Berlin. *)
Dragonerstrasse No. 19
Preise in Thalern.)
1865.

A. Zusammengesetzte Mikroskope.

1. Kleinstes Mikroskop No. 1 Mikrometerbewegung durch Schieflegen des Tisches: mit 1 Ocular und 3 achromatischen Objectiven, 1 Pincette, 2 Präparirnadeln, Objectträger und Deckgläser in einem Mahagonikasten. Linearvergrösserung 40- bis 180mal (siehe Virchow's Schrift "über die Lehre von Trichinen....12 Thlr.

2. Mikroskop No. 1a. Dasselbe Modell mit Messingfuss. 2 Oculare, Linsensystem 1 und 2, 4, Objectträger und Deckgläser in einem Mahagonikasten. Linearvergrösserung bis 320mal...25 Thlr.

3. Mikroskop No. 2. Kleines Modell Schiek. Die grobe Einstellung durch Verschieben des Tubus, die feine durch eine Mikrometerschraube, welche den Objecttisch in eine schiefe Ebene legt; mit 2 Ocularen, System 1 und 2, 4. Objectträger und Deckgläser in einem verschliessbaren Mahagonikasten. Linearvergrösserung 20- bis 350mal...35 Thlr.

4. Mikroskop No. 3. Modell wie No. 2, nur grösser, mit vollendeter Spiegelbewegung. 3 Oculare, System 1 und 2, 4. Objectschieber und Deckgläser in einem verschliessbaren Mahagonikasten. Linearvergrösserung 20- bis 500mal (s. Abbild. No. 6)...45 Thlr.

*) Das vollständige Preisverzeichnisse [sic!] dieser Firma (mit 122 Nummern und 16 Abnbildungen) ist durch die Hirschwald'sche Buchhandlung in Berlin zu beziehen.

Mikroskop von Schmidt & Haensch in Berlin, No. 220: SignaturWenige Jahre später bildet Herman Hager in seinem Werk Das Mikroskop (Hermann Hager: Das Mikroskop und seine Anwendung; sechste durchgesehene und vermehrte Auflage; Verlag von Julius Springer; Berlin 1879: 36-39) das hier gezeigte Stativ ab und beschreibt es wie folgt:

Nachdem die Theile, aus welchem ein Mikroskop construirt wird, besprochen und nach ihren Zwecken erklärt sind, mögen hier die Abbildungen zweier Mikroskope (Fig. 32 und 33) aus der Werkstatt der Optiker Franz Schmidt und Haensch in Berlin, einen Platz finden.
[...]
Das Modell des Mikroskops Fig. 32 entspricht dem kleinen Schiek'schen. Es hat einen schweren Metallfuss, das Uebrige daran ist aus Messing sauber gearbeitet, die Linsen sind achromatisch, die Bilder scharf, das Lichtfeld hell, überhaupt sind die optischen Verhältnisse daran äusserst correct. Die grobe Einstellung wird durch Auf-und Abwärtsschieben des Rohres oder Tubus in der Hülse, die feinere durch die unten links befindliche Mikrometerschraube, welche den Objecttisch in eine schiefe Ebene legt, bewerkstelligt. Als Belndvorrichtung befindet sich eine Drehscheibe unter dem Objecttische. Es kommen jetzt Mikroskope ähnlicher Form und Construction aus verschiedenen optischen Werkstätten zu Preisen von 30-50 Mark in den Handel. Gewähren sie Vergrösserungen bis zum 350fachen, so reichen sie für den Gebrauch der Handelschemiker, Apotheker, Lehrer völlig aus.

Das Mikroskop kann über einen Antiquitätenhändler aus einem privaten Nachlass bei Kassel im Februar 2008 für die Sammlung erworben werden.

(Referenz 40, 90, 95, 102)



27.03.2010 by Timo Mappes

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