Mittelgroßes Mikroskop von Plössl in Wien, Stativ Nr.
2 um 1845. Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und gebeiztem Messing, blankem
und gebläutem Stahl. Das Mikroskop verfügt über einen zweifach
gelagerten Konkavspiegel.
Die Fokussierung erfolgt über einen Trieb, der auf eine Zahnstange wirkt, welche in die zur Führung dienende Prismenstange aus Messing eingelassen ist und den Tubus relativ zum Tisch des Mikroskops bewegt. Abgeblendet wird mit Hilfe einer nierenförmigen Blende, welche am Ende einer kurzen, konisch zulaufenden Röhre unter der Tischplatte montiert ist. Zur Fixierung der Objekte dient ein gegen eine Feder verspanntes Messingblech, welches fast die gesamte Tischfläche bedeckt. Zum Transport wird das Instrument mit eingeklapptem Dreibein in die mit grünem Samt ausgeschlagene furnierten Holzschatulle verstaut. Auf dem Tubus ist das Instrument dekorativ signiert:
Die optische Ausrüstung des Mikroskops besteht zeittypisch aus einem fünfteiligen Objektiv, dessen einzelne achromatischen Linsensätze mit den Schlagzahlen Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 5 bezeichnet sind. Zwei Okulare Nr. 1 und Nr. 2 sind dem Instrument beigegeben. Die typischen Zubehörteile, wie Pinzetten und Auflichtlupe des Mikroskops fehlen weitgehend - nur die Wilson'sche Handlupe und der Ring zum Einlegen der Objektmikrometer ist noch erhalten. Hugo von Mohl beschreibt in Mikrographie (L.F. Fues, Tübingen 1846: 73) zu derartigen Objektiven: Plössl und Schiek geben ihren Mikroskopen nur wenige (6-7) Objective bei, welche in der Reihenfolge, wie sie in der Stärke aufeinander folgen und mit den Zahlen 1, 2, 3 ... bezeichnet sind, in den folgenden Combinationen gebraucht werden können, 1, 1+2, 1+2+3, 2+3+4, 3+4+5, 4+5+6. Es folgt also hieraus, dass man beim Wechseln der Objective und der Wahl der nächst stärkeren Combination meistens die hinterste Linse abschrauben und vorn eine neue aufschrauben muss. Da dieses immer mit einem gewissen Zeitaufwande verbunden ist, so ist die Einrichtung, welche Amici, Oberhäuser u.A. ihren Objectivsystemen geben, nämlich die Zusammensetzung eines jeden desselben aus mehreren zusammengehörenden Linsen, von denen keine bei einem anderen Systeme verwendet wird, die bequemere, indem hiebei [sic!] die verschiedenen Systeme eben so schnell, wie einfache Objective gewechselt werden können. |
||
Diese Beschreibung erklärt die Verwendung der diesem
Instrument beigegebenen Optiken.
Der Artikel Simon Plößl (1794-1868) Optiker und Mechaniker in Wien (Zur Entwicklungsgeschichte der Plößl-Mikroskope) (Josef Hölzl, Engelbert Bancher, Franz Kotlan in: Technisches Museum für Industrie und Gewerbe in Wien / Forschungsinstitut für Technikgeschichte: Blätter für Technikgeschichte 31, Wien 1969: 45-89) beschreibt alle bis 1969 bekannt gewordenen Mikroskope aus der Werkstatt Plössls, die sich in staatlichen Museen oder privaten Sammlungen befinden. Hier geht man davon aus, dass die Zahl der produzierten kleineren Stative geringer ist, als jene der großen. Die Verkaufsliste von 1835 enthält 59 große Mikroskope Nr.1 und 55 kleine Mikroskope Nr. 2 [das hier gezeigte], Nr. 3 und Nr. 4. Fast allen bekannten Mikroskopstativen Nr. 2 fehlt sowohl der Kreuztisch als auch die Feineinstellung. So auch den beiden in der Sammlung des Optischen Museums der Ernst-Abbe-Stiftung in Jena erhalten, dem hier gezeigten Mikroskop sehr ähnlichen Stativen. Das hier gezeigte Mikroskop wird im Verzeichniss der optischen Apparate, welche von Simon Plössl, Optiker und Mechaniker in Wien, alte Wieden, Feldgasse Nr. 213, für beigesetzte Preise in Conventions-Münze oder Ausgburger Courant verfertigt werden (Annalen der K.K. Sternwarte in Wien 23, 1844: 126-134) angeboten als: |
||
2. Kleines zusammengesetztes Mikroskop, dessen Körper durch Triebwerk
gegen den feststehenden Objecttisch bewegt wird, auf messingenem,
zusammenzulegenden Dreifusse; mit zwei Ocularen aus einfacher Linse und
Collectivglase bestehend, zum Aufstecken, und fünf achromatischen,
aplanatischen Linsen zum Überbereinanderschrauben. Der Objecttisch mit
vorne offener Federklammer für Objectträger und Glastafeln aller
Art, mit Drücker zum Öffnen von unten. Einem gläsernen concaven
Reflexionsspiegel mit doppelter Bewegung zur transparenten Beleuchtung mit
schwarzer Rückseite, und einer Beleuchtungslinse mit Bewegung für
opake Objecte; einem Insectenglase in messingener Fassung, und einer Objectnadel
zum Aufstecken; einer Wilson'schen Loupe, in Messing gefasst, und eine
rmessingenen Pincette. Zwei auf Glas getheilte Mikrometer mit Theilung der
Wiener Duodecimallinie in 30 und 60 Theile linear, in elfenbeinerner Kapsel
mit messingenem Ringe zum Einlegen in den Objecttisch; vier Objectschieber
mit 16 Probenobjecten. Die Vergrösserungen gehen von 18 bis 250 Mal
linear, oder von 324 bis 62500 Mal der Fläche. Alles in einem polirten
hölzernen Kästchen mit Schloss, und mit Sammet gefüttert,
beiläufig 1' lang, 6" breit und 3" hoch. 90fl.
Pieter Harting schreibt in Das Mikroskop (Vieweg und Sohn, Braunschweig
1866: III, 181): Der zweite, der sich in Deutschland, und zwar mit dem
glücklichsten Erfolge, auf die Verfertigung achromatischer Mikroskope
legte, war Simon Plössl in Wien (Alte Weiden, Feldgasse, am Eck der
Schmölerlgasse Nr. 215), dessen Instrumente seit 1830 eine allgemeine
Verbreitung gefunden haben. Dem Stil der Spiegelhalterung und der Form des 3-Lochblende-Segments stammt das hier gezeigte Mikroskop aus der Zeit vor 1853. Dieses Mikroskop kann im Februar 2008 bei einer Auktion in Pennsylvania, USA für die Sammlung erworben werden. Im Kasten des Mikroskops findet sich eine mit Tinte geschriebene Vergrößerungstabelle auf einem Blatt mit der Adresse von einem Apotheker aus den 1880ern:
Charles E. Clemson Georg Simon Plößl (1794-1868) wird als Sohn eines Schweizer Tischlers geboren, der vor allem technische Geräte und Spieluhren aus Holz fertigt. Als Plößl gerade sieben Jahre alt ist stirbt sein Vater, bedingt durch die daraus resultierenden schlechten finanziellen Verhältnisse darf er die Normalschule unentgeltlich besuchen und schließt diese mit ausgezeichneten Leistungen ab, um danach seinem sechs Jahre älteren Bruder folgend eine vierjährige Drechslerlehre zu vollenden. |
||
Als sein Bruder stirbt tritt Simon Plößl dessen Nachfolge
in der Werkstatt von Johann Friedrich Voigtländer (1779-1859) an und
arbeitet dort als Lehrling und Geselle über 11 Jahre lang. 1823 macht
sich Plößl in der leer stehenden alten Werkstatt und Wohnung seines
Vaters mit einem Gehilfen selbständig. Mangels Bekanntheit und Bestellungen
sowie einer Fehlinvestition in die Lizenz für Theaterspektive muss
Plößl seinen Angestellten jedoch schon bald wieder entlassen und
kommt in
Zahlungsschwierigkeiten.
Durch großen Fleiß und strengste Sparsamkeit seiner
Frau gelingt es ihm jedoch bald mit Teleskopen und Mikroskopen die Aufmerksamkeit
einiger Professoren auf sich zu ziehen, darunter der Physiker und angewandte
Mathematiker Andreas Freiherr von Baumgartner (1793-1865), der Mathematiker
und Physiker Andreas Freiherr von Ettingshausen (1796-1878), der Botaniker
Joseph Franz Freiherr von Jacquin (1766-1839), der Astronom Joseph Johann
von Littrow (1781-1840), der Mathematiker und Geodät Simon Ritter von
Stampfer (1792-1864) sowie der Chemiker und Techniker Ignaz Edler von Mitis
(1771-1842) und der Naturwissenschaftler Alois Beckh von Widmanstätten
(1754-1849). Diese unterstützen ihn mit Aufträgen , so dass er
er innerhalb einer Dekade nationale und internationale Bekanntheit erlangt,
obwohl er ganz untypisch für seine Zeit nie außerhalb seiner
Heimatstadt lebt und selbst Nieder-Österreich auch für Reisen nicht
verlässt. Plößl gilt als sehr ehrlicher Optiker und Mechaniker;
sein erstes Preisverzeichnis veröffentlicht er 1828, dem bald
ausführlichere folgen. Nach den Berechnungen von v. Littrow fertigt
Plößl ab 1832 dialytische Fernrohre, die bald auf der ganzen
Welt sehr gefragte Instrumente werden - wie alle optischen Erzeugnisse
aus Plößls Werkstatt sind die damit erzeugten Bilder
von bedeutender Helligkeit und Schärfe. Schließlich zieht
Plößl innerhalb Wiens mehrfach um und wird 1835 Bürger der
Stadt. Bei der ersten Gewerbs- und Industrieausstellung im Herbst 1835 in
Wien werden seine Erzeugnisse einstimmig mit der goldenen Medaille ausgezeichnet.
Zu der Entwicklung seiner Mikroskope heißt es 1837 (XI. Literarische Notizen / 3. Biographische Notizen über Simon Plössl. A. Baumgartner: Zeitschrift für Physik und verwandte Wissenschaften IV. Verlag J. G. Heubner, Wien 1837: 379-384): Der merkwürdige Zufall, der ihn die von Selligue zuerst angegebene, aber in Frankreich anfangs voreilig verworfene, von Amici und Dollond dagegen wieder aufgenommene aplanatische Zusammensetzung der Objectivlinsen in Mikroskopen, selbst auffinden liess, verbreitete den Ruf seiner durch so viele verbesserten zusammengesetzten Mikroskope durch ganz Europa, so dass sie sich derzeit in den Händen der Mehrzahl der berühmtesten jetzt lebenden mikrologischen Naturforscher befinden, welche nicht anstehen, die glücklichen Fortschritte ihrer Forschungen denselben grossen Theils dankbar zuzuschreiben. Die Anzahl von über 200 solcher Instrumente, die Plössl bisher auf Bestellung verfertigt hat **), dient hierzu als Belege, und die bedeutende Vervollkommnung der nach Fraunhofer's Vorgabe verfertigten Schraubenmikrometer, sowie die mechanische Einrichtung des Gestelles; die von ihm zuerst versuchten aplanatisch zusammengesetzten Oculare, und endlich die ausnehmende Schönheit, Genauigkeit und Feinheit seiner Glastheilungen, die jene des, in diesen Arbeiten so berühmten verstorbenen Riché in Paris noch weit übertreffen, trugen auch nicht wenig zu ihrem Rufe bei. Die einsichtsvolle Grossmuth Sr. k. H. des durchlauchtigsten Erzherzogs Ludwig, welcher Plössl's kaum geäusserten Wunsch, eines der neuesten berühmten Instrumente des Professors Amici untersuchen zu können, sogleich erfüllte, setzte durch daraus geschöpfte Verbesserungen, der Vollkommenheit seiner Mikroskope die Krone auf ***). **) Zeitschrift für Physik und verwandte Wissenschaften, B. III Heft 1 ***) Zeitschrift für Physik und Mathematik, Bd. VII. Heft 3 |
||
Offenbar wird Plößl Ende der 1830er mit Bestellungen derart überhäuft, dass seine Kunden oft lange auf die Instrumente warten müssen - er tritt auch mit diesem Umstand in die Tradition von Ramsden, Dollond und Fraunhofer. Ein pankratisches (bildaufrichtendes) Mikroskop wird von Plössl ab 1843/44 als Stativ Nr. 5 angeboten. Über die Arbeitsweise Plößls ist vermerkt (Ph. Carl [Hrsg.]: Repertorium für Experimental-Physik, für physikalische Technik, mathematische & astronomische Instrumentenkunde. 4. Band, Verlag R. Oldenbourg; München 1868: 63-64): Plössl setzte seine Instrumente allein zusammen; der eine, welcher ihm dabei einige Zeit geholfen hatte - sein Sohn, war im 21. Lebensjahre gestorben. Seit dieser Zeit war Plössl noch schweigsamer, verschlossener und stiller geworden, als er schon von Natur aus war. Zu dieser Abgeschiedenheit mag wohl noch seine bedeutende Schwerhörigkeit nicht wenig beigetragen haben. Simon Plößl stirbt am 29. Januar 1868 durch einen Unfall, bei dem ihm eine herunterfallende Glasplatte den rechten Arm derart verwundet, dass er der Verletzung kurz darauf erliegt. Mikroskope werden unter dem Firmennamen S. Plössl & Comp. bzw. S. Plössl & Cie bis 1905 weiter produziert. Bis 1882 werden die eigentlichen, typischen Plössl-Mikroskope angeboten, die Produktion jedoch ab 1875 sukzessive auf die Herstellung von Hufeisenstativen umgestellt. Inhaber der Werkstätte nach Simon Plößls Tod ist 1868 Anna Fleckenstein, geborene Plößl, ab 1871 zusammen mit dem k.u.k. Hofoptiker Mathäus Wagner. Ab 1874 führt die Werkstätte M. Wagner alleine, er nimmt 1888 M. Josef Wagner mit auf. Im Jahre 1905 läuft die Firma auf Marie Wagner. [Vergleiche Referenz 2, 3, 22, 86 und Optisches Museum der Ernst-Abbe-Stiftung Jena: "Kleines Plössl Mikroskop Stativ", Inv.-Nr. 5011 und Inv.-Nr. 252; Pathologisch-anatomischen Bundesmuseum Wien: "Zusammengesetztes Mikroskop (Kleiner Dreiecksfuß-Typ) um 1850 / Signatur: Plössl in Wien", Museal-Nr. 25.947] |
||
|
home | Mikroskopie | Spektroskopie | Varia |
© 2008 by Timo Mappes, Germany